Industrie in Gefahr
Die industrielle Entwicklung, die einst in England ihren Ausgang nahm und lange von den USA dominiert wurde, bevor inzwischen auch einige asiatische Länder aufgeholt haben, hat sowohl die menschliche als auch die tierische Muskelkraft zunehmend ersetzt, damit eine ungeahnte Wirtschaftsentwicklung ausgelöst und die Überwindung der Armut möglich gemacht. Die Voraussetzungen dafür waren Erfindungsgeist, eine breite Energie- und Rohstoffbasis und entsprechende institutionelle Rahmenbedingungen.
Auch in Österreich stellt die Industrie eine wichtige Säule der Wirtschaft dar. Sie schafft qualifizierte Beschäftigung und ist wesentliche Grundlage unseres Wohlstandes sowie der Finanzierung unseres weltweit im Spitzenfeld liegenden Sozialstaates. Mit ihren Exporten ermöglicht sie zudem die Abdeckung der notwendigen Importe, benötigt dafür aber die entsprechenden Rahmenbedingungen – und diese haben sich in ganz Europa, vor allem aber im Verhältnis zu den USA und China, deutlich verschlechtert. Erschwerend kommt hinzu, dass in Österreich zunehmend Personalnot als Folge geburtenschwacher Jahrgänge, unzulänglicher Integration und eines unzeitgemäßen Bildungswesens herrscht. Trotz geringer Nettolöhne verzeichnen wir zudem Spitzenwerte bei den Arbeitskosten – auch eine Folge der hohen Abgabenbelastung, bei der wir international einen Spitzenrang einnehmen. Österreich leidet auch unter einem schwachen Risikokapitalmarkt. Weiters behindern die steigenden Umweltauflagen und langen Bewilligungszeiten aufgrund des Regulierungswahns mit seinem Vorschriftendschungel und der überbordenden entscheidungsunwilligen Bürokratisierung und ebensolcher Politik sämtliche Initiativen. Eine weitere Last sind die hohen Energiekosten bei zugleich riesiger Abhängigkeit von teuren, vor allem aber überwiegend fossilen Energieimporten, bei viel geringeren Hilfen als etwa in Deutschland. Und obwohl Österreich einerseits nach dem Motto „koste es was es wolle“ eine inflationsfördernde Konfettiparade durchführt, ist es gleichzeitig zukunftsvergessend bei der Förderung der Industrien von morgen, etwa im Mikroelektronikbereich oder bei künstlicher Intelligenz. Kein Wunder also, wenn die Innovationsdynamik Österreichs gegenüber der Schweiz, den Niederlanden und den skandinavischen Ländern deutlich zurückgegangen ist. All das bedeutet für viele Industrieunternehmen eine bedrohliche Entwicklung – auch, weil Europa es zudem verabsäumt hat, entsprechende Freihandelsabkommen abzuschließen und einige Länder, allen voran die USA und China, mit enormen Mitteln ihre Industrien unterstützen und eine massive Re-Industrialisierung betreiben.
Wenn wir unsere wirtschaftliche Basis, zu der inzwischen auch ganz wesentlich der Digitalbereich gehört, nicht ähnlich unterstützen, wird sie sich deutlich verringern. Als Folge würde es zu einer Wohlstandsminderung und Reduktion der Sozialeinrichtungen kommen. Das aber gilt es zu vermeiden. Es ist dringend notwendig, die Zukunftsfähigkeit unserer Industrie zu gewährleisten.
„Als Folge würde es zu einer Wohlstandsminderung und Reduktion der Sozialeinrichtungen kommen.“
Hannes Androsch
markt@vn.at
Dr. Hannes Androsch ist Finanzminister i. R. und Unternehmer.
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