“Soziale Teilhabe kostet Geld”

Markt / 27.04.2023 • 22:18 Uhr
Die Industrienahe Fertigung der Aqua Mühle bietet Arbeitsplätze für gesundheitlich angeschlagene Menschen.
Die Industrienahe Fertigung der Aqua Mühle bietet Arbeitsplätze für gesundheitlich angeschlagene Menschen.

Trotz Arbeitskräftemangel braucht es weiterhin einen zweiten Arbeitsmarkt.

Frastanz Ein „Tag der Arbeitslosen“ – braucht es das in der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation überhaupt. Und warum sind Menschen in Vorarlberg arbeitslos, wenn alle Firmen verzweifelt Arbeitskräfte suchen? Eine Antwort auf diese Fragen gaben die Vertreter der Vorarlberger Sozialunternehmen, die unter dem Namen „Arbeit +“ zusammenarbeiten, die über die aktuelle Situation am zweiten Arbeitsmarkt Bericht gaben. Cornelia Praeg-Strasser, die nach langer Arbeitslosigkeit in einem Sozialunternehmen Arbeit fand, berichtete, wie sie in die Situation geriet und was sie mit ihr gemacht hat. Mit der Trennung vom Mann, bei dem sie auch geringfügig angestellt war, begann der Abstieg. „Ich habe nicht verstanden, was passiert, hatte Existenzängste, weil auch die Ersparnisse schmolzen.“ Cornelia Praeg-Strasser hat zwei Töchter – die Situation der Mutter belastete auch sie, wie Tochter Lisa Praeg berichtete.

Die Suche nach Hilfe in den Amtsstuben des Landes taten das ihre dazu. „Ich konnte nicht mehr selbstständig zu Bewerbungsgesprächen gehen“, erzählt sie. Ihre Tochter begleitete sie und sorgte auch für Umschwung. Sie entdeckte die Aqua Mühle. Dort fasste Praeg-Strasser langsam wieder Tritt, wurde unkompliziert auf- und angenommen, ihr wurde die Würde wiedergegeben. Die Erfahrungen führten auch zu ihrem Wunsch, den sie anlässlich des Tages der Arbeitslosen formulierte: „Ich wünsche mir vom Land, dass nachfolgende Generationen ausgebildet werden, wie sie bei Gesprächen in Ämtern zurechtkommen, und für ältere Menschen Ausfüllhilfen.“

600 Transitarbeitsplätze

Hinter jedem der rund 600 Menschen, die jährlich bei den Sozialunternehmen arbeiten, steckt ein hartes Schicksal, meist aber auch eine Familie, die unter den Umständen leidet. In  der Arbeitsmarktstatistik ist das nicht ersichtlich“, die nackten Zahlen zeigen nur, dass es trotz boomendem Arbeitsmarkt noch arbeitslose Menschen gibt. Doch eine Sockelarbeitslosigkeit ist auch dadurch bedingt, dass viele langzeitarbeitslose Menschen gesundheitlich so gehandicapt sind, dass sie nicht in den normalen Arbeitsprozess integriert werden können.

Deshalb ist es für Benedicte Hämmerle, Geschäftsführerin von Arbeit +, Florian Kresser, Obmann von Arbeit + S und Geschäftsführer von Aqua Mühle Vorarlberg, sowie Michael Hämmerle, Stv. Geschäftsführer von Arbeit + und Sozialarbeiter in der Kaplan Bonetti Beratungsstelle, unverständlich, dass das Land Jahr für Jahr die Sozialunternehmen bis zum letzten Moment zittern lässt, wie viel Budget sie bekommen. Heuer sind es 7,1 Millionen Euro, 2,3 Millionen weniger als im vergangenen Jahr. Arbeit + fordert die langfristige Zusage von Fördermitteln, um Betroffenen passende Beschäftigungsplätze bieten zu können und auch ihrem Auftrag, 60 Prozent ihres Budgets selbst erwirtschaften zu müssen, nachkommen können. „Anstatt eingeschränkt arbeitsfähige Menschen von einer Institution zur nächsten zu schicken, wäre es sinnvoller, diese ihrem Leistungsvermögen entsprechend zu beschäftigen, auch längerfristig, denn die sozialökonomischen Betriebe und die dort beschäftigten Menschen leisten wertvolle Arbeit und: „Soziale Teilhabe kostet Geld“, stellt Benedicte Hämmerle fest. VN-sca

Cornelia Praeg-Strasser und Tochter Lisa durchlebten harte Zeiten. FA/Serra (2)
Cornelia Praeg-Strasser und Tochter Lisa durchlebten harte Zeiten. FA/Serra (2)