So viele Vorarlberger Firmen schlitterten heuer in die Pleite

Unternehmensinsolvenzen um 10,9 Prozent gestiegen.
Feldkirch Die Zahl der Firmenpleiten in Vorarlberg steigt weiter. Auch wenn es im Vorkrisenjahr 2019 deutlich mehr Insolvenzen waren.
Laut aktueller Hochrechnung des Kreditschutzverbandes KSV1870 sind im ersten Halbjahr 2023 in Vorarlberg 51 Unternehmen (+ 10,9 % gegenüber 2022) von einer Insolvenz betroffen. Weiters sind die vorläufigen Passiva um 35,3 Prozent auf 22 Millionen Euro gesunken. Die bis dato größte Firmenpleite im Land betrifft die myRobotcenter GmbH mit Passiva von 13,9 Millionen Euro.
Erhöhung über Monate
Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen habe sich in den vergangenen Monaten konsequent erhöht. Im Vergleich zum Jahr 2019, dem letzten „Normaljahr“ vor der Corona-Krise, gab es damals rund 20 Insolvenzen mehr. Weiters ist auch die Anzahl der mangels Kostendeckung nicht eröffneten Fällen relativ hoch. Allein in Vorarlberg wurden rund 22 Insolvenzen nicht eröffnet.

Mit in den Abgrund
Aufgrund dieser Entwicklung plädiert der KSV1870 dafür, darüber nachzudenken, ob in Zukunft auch bis dato mangels Kostendeckung abgewiesene Fälle eröffnet werden sollen. Denn es kommt nicht selten vor, verwertbare Assets zu finden, die zugunsten der Gläubiger ausgelegt werden könnten. „Es muss verhindert werden, dass finanziell gesunde Unternehmen aufgrund eines insolventen Geschäftspartners selbst ins Straucheln geraten. Dazu zählt unserer Meinung auch, etwaige Assets der nichteröffneten Fälle genau unter die Lupe zu nehmen. Passiert das nicht, verlieren die Betriebe noch mehr Geld als das ohnehin schon der Fall ist“, so Regina Nesensohn, Leiterin des KSV1870 Standorts in Feldkirch.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von APA Livecenter angezeigt.
Die größten Pleiten
Die größte Firmenpleite des Jahres in Österreich ist die Insolvenz Leiner & kika Möbelhandels GmbH mit rund 132 Millionen Euro. Ein Blick in die Bundesländer zeigt, dass insbesondere Tirol von einem massiven Anstieg der Passiva betroffen ist. Dieser ist in erster Linie auf die bis dato zweitgrößte Pleite des Jahres, jene der „Pharmazeutische Fabrik Montavit Gesellschaft m.b.H.“ mit einem Volumen von 45,2 Millionen Euro, zurückzuführen.
Österreich Großinsolvenzen 1. Halbjahr 2023
1. Leiner & kika Möbelhandels GmbH (St. Pölten, NÖ): 132 Millionen Euro
2. Pharmazeutische Fabrik Montavit Gesellschaft m.b.H (Absam, Tirol): 45,2 Millionen Euro
3. ALPHA Privatstiftung (Wien): 31,6 Millionen Euro
4. Gazprom Austria GmbH (Wien): 31,4 Millionen Euro
5. Hitzinger Electric Power GmbH Elektroniker und Elektromaschinenbauer (Linz, OÖ): 29,7 Millionen Euro
6. RTi Austria GmbH (Rohrtechnik, Baugewerbe; Pucking, OÖ): 21,5 Millionen Euro
7. envitra Energiehandel Ges.m.b.H. (Wien): 20 Millionen Euro
Insolvenztreiber: Tourismus/Gastronomie, Handel, Bauwirtschaft
Wie die aktuelle KSV1870 Hochrechnung belegt, sind der Bereich Tourismus/Gastronomie (14 Fälle), der „Handel inkl. Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen“ (12 Fälle) und die Bauwirtschaft (6 Fälle) jene Branchen, in denen sich die meisten Insolvenzen ereignen. Diese drei Branchen sind für über 60 Prozent aller Vorarlberger Firmenpleiten verantwortlich.
Darüber hinaus verzeichnen diese drei Bereiche auch die meisten abgewiesenen Fälle. „Es ist nach wie vor so, dass Insolvenzanträge häufig zu spät gestellt werden. Und zwar erst dann, wenn überhaupt keine liquiden Mittel mehr zur Verfügung stehen und nicht einmal mehr das Verfahren bei Gericht selbst finanziert werden kann. Das ist auch insofern dramatisch, weil dadurch weitaus mehr Arbeitsplätze verloren gehen, als eigentlich notwendig wäre“, so Nesensohn.
Österreich Gesamtinsolvenzen nach Branchen
1. Handel; Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen: 473 Fälle, 305 Millionen Euro Passiva
2. Bau: 447 Fälle, 197 Millionen Euro Passiva
3. Beherbergung und Gastronomie: 346 Fälle, 346 Millionen Euro Passiva
Sprunghafte Entwicklung
In welcher Dimension das Jahresergebnis in Vorarlberg ausfallen wird, lasse sich aufgrund der vergangenen Wochen schwierig prognostizieren, zumal das Insolvenzgeschehen zuletzt als durchaus volatil zu bezeichnen sei. Aktuell gelte es auch abzuwarten, welche Auswirkungen unter anderem die Ausbezahlung des „Urlaubsgeldes“ auf finanziell angeschlagene Unternehmen, und damit auch auf das derzeitige Insolvenzgeschehen, habe. Denn wie die Vergangenheit schon öfters gezeigt hat, bringe die Ausbezahlung von Urlaubs- bzw. Weihnachtsgeld jene Betriebe, die sich bereits in Schieflage befinden, zunehmend in Bedrängnis. „Die Insolvenzentwicklung zeigt vorwiegend einen Nachholeffekt aus Krisenzeiten, eine Insolvenzwelle ist jedenfalls nicht erkennbar“, so Nesensohn.