Provisionsfrei mieten: Bestellerprinzip könnte nach hinten losgehen

Markt / 28.06.2023 • 18:30 Uhr
<p class="caption">Ab 1. Juli gilt das Bestellerprinzip bei Vermietungen – für Mieter eine Entlastung, die aber in Deutschland für höhere Mieten gesorgt hat. <span class="copyright">APA/Manhart</span></p>

Ab 1. Juli gilt das Bestellerprinzip bei Vermietungen – für Mieter eine Entlastung, die aber in Deutschland für höhere Mieten gesorgt hat. APA/Manhart

Wohungsmiete ohne Provision – Zweifel bei Maklern und Konsumentenschützern.

Schwarzach 77 Prozent der Vorarlberger wünschen sich Wohneigentum, 64 Prozent besitzen tatsächlich ihr eigenes Heim. Diese Zahlen haben jüngst die s Real und Sparkassen veröffentlicht. Und sie unterstreichen, was auch andere Untersuchungen und Erfahrungswerte im Immobiliengeschäft zeigen: Vorarlberg wird zunehmend zum Land der Mieter. Und just diesen Menschen soll die Novelle zum Maklergesetz einen entscheidenen finanziellen Vorteil bringen. Denn ab 1. Juli gilt das Bestellerprinzip, das regelt, dass die Person, die einen Makler zur Vermietung einer Wohnung bzw. zum Finden einer geeigneten Wohnung engagiert, dafür auch aufkommen muss. Bisher teilten sich im besten Fall Vermieter und Mieter diese Kosten.

Umgehungsmöglichkeiten

Was zumindest Mieter frohlocken lassen sollte, wird aber von Maklern, Vermieter-Lobbyisten und Mietervertretern gleichermaßen kritisiert. Wie das? Die SPÖ-nahe Mietervereinigung hat ein sehr ernüchterndes Fazit gezogen: Umgehungskonstruktionen seien weiterhin möglich und das beanstandete Beweisthema bleibe ebenso unverändert wie der Strafrahmen bei Verstößen niedrig. Die Arbeiterkammer hat sich der Kritik angeschlossen, stellt allerdings auch fest, dass man sich „über die Umsetzung des Bestellerprinzips freut“ und fordert, dass „in einem nächsten Schritt Umgehungsmöglichkeiten gesetzlich ausgeschlossen werden“.

Der Sprecher der Vorarlberger Immobilienmakler, Günther Ammann, hegt Zweifel, ob das erwünschte Ergebnis erzielt werden kann. „Das Bestellerprinzip könnte das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt verstärken. In Regionen mit hoher Nachfrage und knappem Wohnungsangebot könnten die Kosten für provisionsfreie Wohnungen weiter steigen, da Vermieter weniger Anreize haben, über Makler zu vermieten. Dies könnte den Wettbewerb um Wohnungen verschärfen und zu höheren Mietpreisen führen.“ Auch Ammanns Kollege, Immobilienmakler Andreas Hofer, zweifelt am Erfolg der neuen Vorschrift, die auf Wiener Verhältnisse zugeschnitten sei und dazu führen könnte, dass dadurch die Mieten steigen werden. „Es gibt sicher Vermieter, die die Maklerkosten auf den Mietpreis umlegen werden.“

Gestiegene Mietpreise

Die neue Situation, die übrigens erst für alle Aufträge, die ab 1. Juli erteilt werden, gelte, sei auch nicht dazu angetan, die vielen leerstehenden Wohnungen auf den Markt zu bringen. Ammann und Hofer verweisen auf Erfahrungen mit einem ähnlichen Gesetz im Nachbarland Deutschland. „Das Instituts der deutschen Wirtschaft kommt zu dem Ergebnis, dass das Bestellerprinzip zu höheren Mietpreisen geführt hat. Die Zahl der provisionsfreien Wohnungen sei gesunken, während die Mietpreise gestiegen seien“, so Ammann.

Mehr Informationen und Beratung: AK Vorarlberg Konsumentenschutz, +43 (0) 50 258-3000

Wirtschaftskammer Vorarlberg, FG Immobilien- und Vermögenstreuhänder, +43 5522 305 246

AK-Konsumentenschützerin Karin Hinteregger hat ganz praktische Tipps: „Beachten Sie vor Vertragsabschluss, wer nachweislich Erstauftraggeber ist bzw. wer das Maklerhonorar zu bezahlen hat.“ Zu Sicherheit sollte man das auch schriftlich vom Makler festhalten lassen.

Statements

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Foto: Arbeiterkammer

„Das Bestellerprinzip lässt leider Umgehungsmöglichkeiten zu. Wir haben davor schon vor Beschluss des Gesetzes gewarnt.“ Karin Hinteregger, AK Konsumentenschutz

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„Die Gesetzesnovelle ist ein Schritt in die falsche Richtung, der komplett nach hinten losgehen wird. Das zeigen auch die Erfahrungen in Deutschland.“ Andreas Hofer, Immobilienmakler

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WKV

„Der Wohnungsmarkt wird sich intransparenter gestalten und es wird sich ein Qualitätsverlust bei der Vermietung einstellen.“ Günther Amann, Sprecher Vorarlberger Immobilientreuhänder

Arbeiterkammer zu Bestellerprinzip

Wenn ein Mietvertrag über eine Wohnung zustande kommt, wer zahlt dann die Maklerprovision? Bisher waren das meistens die Mieter(innen). Das neue Bestellerprinzip besagt, dass Makler(innen) die Provision nur von demjenigen verlangen dürfen, der sie zuerst mit der Vermittlung des Mietvertrages beauftragt hat. Deshalb spricht man auch vom „Erstauftraggeber-Prinzip“.

Das heißt: Wer Makler(innen) zuerst beauftragt, zahlt.

In der Regel sind das die Vermieter(innen).

Für welche Verträge gilt das Bestellerprinzip?

Das Bestellerprinzip gilt für Verträge mit Makler(innen) ab dem 1. Juli 2023. Es gilt nur dann, wenn diese einen Mietvertrag über eine Wohnung vermitteln. Für die Miete eines Büros oder Geschäfts gilt es nicht. Für Kaufverträge gilt dieses Prinzip generell nicht. 

Wann Vermieter(innen) die Maklerprovision bezahlen müssen

Erstauftraggeber(in) von Maklerbüros sind meistens die Vermieter(innen), zumindest war das bisher so üblich.

Ein Beispiel:

Die Vermieterin einer freien Wohnung sucht sich einen Makler. Er inseriert die Wohnung. Damit ist die Vermieterin die Erstauftraggeberin des Maklers.

Dann melden sich die Wohnungssuchenden und lassen sich die konkret inserierte Wohnung zeigen. Auch sie beauftragen damit den Makler mit der Vermittlung, sie sind somit Zweitauftraggeber(innen).

Der Makler prüft im Anschluss für die Vermieterin die Bonität der Wohnungssuchenden und trifft eine Vorauswahl. Dann leitet er die Miet-Anbote und Daten der Interessent(inn)en an die Vermieterin weiter. Diese lässt sich vom Makler beraten und entscheidet dann, an wen sie die Wohnung vermietet.

Achtung: Kann das Bestellerprinzip umgangen werden?

Eigentlich sollte die Sache klar sein: In den häufigsten Fällen, also wenn Wohnungssuchende auf Wohnungsanzeigen reagieren, muss die Vermieterseite die Maklerprovision bezahlen.

Die AK befürchtet aber, dass Makler(innen) und Vermieter(innen) versuchen werden, die neuen Regelungen zu umgehen.

Das könnte so aussehen:

Eine besonders attraktive, günstige Wohnung wird inseriert. Sie melden sich bei der zuständigen Maklerin, aber die tolle Wohnung ist „leider schon weg“. Die Maklerin meint, sie könnte für Sie vergleichbare Wohnungen finden und drängt darauf, ihr einen Suchauftrag zu geben. In solchen Fällen ist Achtung geboten! Sie haben nun folgende Optionen:

Sie erteilen der Maklerin den Suchauftrag – mit der Gewissheit, dass Sie dann auch Provision zahlen müssen, wenn ein Mietvertrag über sie zustande kommt. Denn natürlich kann es sein, dass die Maklerin die Wohnung eigentlich schon lange über den Vermieter in der Schublade hatte. Das wird man aber kaum beweisen können.

Sie brechen den Kontakt zu dieser Maklerin ab.

Wirtschaftskammer zum Bestellerprinzip

Die Auswirkungen des Bestellerprinzips werden nicht eindeutig und einheitlich abbildbar sein, da diese je nach regionalem Wohnungsmarkt, der Nachfrage sowie den individuellen Umständen variieren werden. Demgemäß gibt es unterschiedliche Meinungen und Debatten über die langfristigen Effekte dieser Regelung.

 

Es ist aber davon auszugehen, dass sich vereinzelte Auswirkungen breiter bemerkbar machen – Hinweise darauf geben Erkenntnisse aus Deutschland, wo eine ähnliche Regelung zur Anwendung kommt.

– Der Wohnungsmarkt wird sich vermutlich intransparenter gestalten.

– Es wird sich ein Qualitätsverlust bei der Vermietung von Mietwohnungen einstellen.

– Das „sichtbare“ Wohnungsangebot wird sinken.

– Es ist mit einer Verunsicherung auf Mieterseite zu rechnen.

– Gemäß den deutschen Erkenntnissen werden die Mieten steigen (wobei der durch das Bestellerprinzip zugetragene Anteil wohl kaum zuordenbar sein wird).

– Rechtliche Unsicherheiten (Wohnungssuchende müssen rechtliche und fachliche Unterstützung extern einkaufen).

Das Bestellerprinzip könnte das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt verstärken. In Regionen mit hoher Nachfrage und knappem Wohnungsangebot könnten die Kosten für provisionsfreie Wohnungen weiter steigen, da Vermieter(innen) weniger Anreize haben, über Makler(innen) zu vermieten. Dies könnte den Wettbewerb um Wohnungen verschärfen und zu höheren Mietpreisen führen.

Zudem wird über undurchsichtige Ablösepraktiken (Ausstattungen, Möbel etc.) berichtet, welche in deutschen Städten mittlerweile bei privaten Vermietungen Einzug gehalten haben.  

Es gibt viele Studien und Untersuchungen zu den Auswirkungen des Bestellerprinzips auf den Wohnungsmarkt in Deutschland.

 

Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft:

Das IW Köln hat eine umfangreiche Studie durchgeführt, in der die Auswirkungen des Bestellerprinzips auf den deutschen Wohnungsmarkt analysiert wurden. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das Bestellerprinzip zu höheren Mietpreisen geführt hat, insbesondere in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt. Die Zahl der provisionsfreien Wohnungen sei gesunken, während die Mietpreise für diese Wohnungen gestiegen seien.

 

Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin):

Das DIW Berlin hat ebenfalls eine Untersuchung durchgeführt, um die Auswirkungen des Bestellerprinzips zu bewerten. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das Bestellerprinzip zu einem Rückgang der Vermittlungstätigkeit der Makler(innen) geführt hat. Insbesondere private Vermieter(innen) werden mitunter vorerst vermehrt auf die Dienste von Makler(innen) verzichten, da sie nicht bereit sind, die gesamte Provision zu übernehmen, und versuchen, Kosten zu sparen. Befragung haben ergeben, dass die Vermietung für Private einerseits mit einem hohen Aufwand und andererseits mit Rechtsunsicherheit verbunden ist. Darüber hinaus fehlt vielen Privatverkäufern eine Marktkenntnis – in manchen Märkten werden die ohne Makler(innen) angebotenen Objekte sogar besonders kritisch betrachtet.