Vorstand der Hypo Vorarlberg spricht Klartext zur Signa-Krise und den Zukunftsvisionen

Markt / 26.04.2024 • 17:28 Uhr
Interview Hypo Vorstand Bank
Vorstandsvorsitzender Michel Haller (m). mit seinen Vorstandskollegen Wilfried Amann (r.) und Philipp Hämmerle im VN-Interview. vn/Paulitsch

Im VN-Interview zeichnen die Vorstände der Hypo Vorarlberg ein Bild über die aktuelle Lage sowie die Auswirkungen der Signa-Pleite und politische Diskussionen auf das Geschäftsmodell der Bank.

Interview: Hanna Reiner & Michael Prock

Bregenz Die Hypo Vorarlberg Bank hat am Freitag ihre Geschäftszahlen 2023 präsentiert. Für die VN nahmen sich Michel Haller, Wilfried Amann und Philipp Hämmerle anschließend Zeit, auf weitere aktuelle Themen wie die Signa-Pleite und die daraus resultierenden Veränderungen in der Bank einzugehen.

Die Bank steht seit einigen Wochen im Fokus der Öffentlichkeit. Wie spüren Sie das?

Michel Haller Die Stimmung in der Mannschaft ist weiterhin sehr gut. Die Mitarbeiter von uns wissen, dass wir weiter eine erfolgreiche Bank sind. Wir sind in den Filialen unterwegs und machen die Ergebnispräsentationen. Auch Personalmäßig, die Hypo wird weiterhin als attraktiver Arbeitgeber angesehen.

Also das sagt nichts aus, dass 40 Stellen offen sind?

Philipp Hämmerle Das hatten wir leider Gottes letztes Jahr auch schon.

Haller Ansonsten gibt es immer wieder Kundenanfragen, auch von den Mitarbeitern gibt es immer wieder Nachfragen. Es ist also schon eine gewisse Grundanspannung vorhanden. Was passiert? Was steht in den Medien? Redet mich mein Nachbar an?

Wilfried Amann Es ist überhaupt keine Frage, wir müssen natürlich öfter bei Kunden Stellung nehmen zu diesen Berichterstattungen.

Wie beobachten Sie die politische Diskussion? Sie sind ja nicht nur Zuseher, sondern auch Objekt der Diskussion.

Haller Es ist Wahlkampf.  Und auch das Verständnis darüber fehlt oft, was die Hypo tut, wie sie zu dieser Größe und Struktur gekommen ist, wie sich das entwickelt hat und warum wir diese Geschäfte machen. Die Filiale in Wien ist 1989 gegründet worden. Das ist vielen gar nicht bewusst, dass wir in Wien eine große Bank sind. An so einem Standort haben wir zuerst Vorarlberger Kunden begleitet. Dasselbe haben wir in Graz, in Wels, in St. Gallen gemacht. Und irgendwann hat man an diesen Orten einen eigenen Kundenstock. So sind wir gewachsen, das macht die Hypo aus. Weil Vorarlberg selbst ist doch ein kleines Bundesland.

Interview Hypo Vorstand Bank
Interview mit dem Vorstandstrio der Hypo Vorarlberg. vn/Paulitsch

Es gibt Parteien, auch die Grünen als kleinere Regierungspartei, die fordern, dass Sie sich auf Vorarlberg als Kernmarkt konzentrieren sollten. Außerdem reden diese Parteien sogar davon, dass Steuergeld gefährdet sei. Wie gehen Sie mit solchen Aussagen um?

Haller Wir versuchen, Bewusstsein zu wecken. Wir sagen zum Beispiel, dass die Bank im Schnitt jedes Jahr 20 Millionen Euro Körperschaftssteuer bezahlt, acht Millionen Bankenabgabe und 900 Arbeitsplätze bietet. Und das ist nur mit dem ganzen Geschäftsmodell möglich, das wäre: 40 Prozent Vorarlberg, 35 Prozent im restlichen Österreich, 14 Prozent Deutschland, 10 Prozent Schweiz. Diese Struktur hat uns erfolgreich gemacht. Sie verursacht manchmal aber auch ein Risiko. Wir müssen versuchen, dieses Verständnis auch beim kleineren Regierungspartner zu wecken.

Gelingt es?

Haller Schwierig.

Amann Wir sind in eine aktive Rolle übergangen, können die Informationen liefern. Was danach passiert, können wir nicht beeinflussen. Mein Empfinden ist schon, dass sich die Tonart und die Statements zum Anfang verändert haben. Man merkt, es ist nicht nur ein politisches Thema, sondern es schadet auch dem Landesvermögen.

Die Bank steht vor allem im Fokus, weil sie zu 77 Prozent dem Land gehört. Ist das Landeseigentum also ein Klotz am Bein? Oder ist es hilfreich?

Haller Es ist beides. Es ist wirklich sehr positiv, ein ganzes Land hinter sich zu haben. Es ist gut, wenn es um die Bonität geht, wenn es um das Vertrauen der Kunden geht. Sie sagen natürlich: Wenn das Land dahinter ist, hat es einen Wert. Auch wenn es keine Landeshaftung mehr gibt wie früher. Auf der anderen Seite gibt es gewisse Einschränkungen, dass man sagt: Die Hypo macht manche Dinge nicht, oder andere Dinge anders, weil das Land Eigentümer ist. Gewisse Ertragschancen, Geschäftschancen kann man nicht nützen, mit einem Land als Eigentümer. Dafür hat man eine Reputation, die einem guttut. Wobei man sagen muss, dass wir seit 1897 kein Geld vom Land bekommen haben, also seit der Gründung.

Da die Haftungen gesetzlich beendet worden sind, gibt es aber keinen faktischen positiven Aspekt des öffentlichen Eigentums? Sondern nur das Vertrauen und die Reputation?

Haller Bei den Ratingagenturen ist das auch sehr positiv. Und in Wien und Graz kommt Vorarlberg als Eigentümer sehr gut an. Als stabilen und erfolgreichen Eigentümer. Das ist schon wertvoll.

Das Ergebnis vor Steuern betrug 2023 53,1 Millionen Euro. 78 Millionen Euro sind Risikovorsorgen. Ist das das Worst-Case-Szenario für ausgefallene Signa-Kredite?

Haller Der Wirtschaftsprüfer hat das alles freigegeben. Man muss verschiedene Szenarien machen. Und diese Szenarien muss man gewichten. In der Signa-Gruppe haben wir Negativszenarien sehr hoch gewichtet.

Der Waltherpark wird an eine deutsche Gruppe verkauft, das sind ja einmal gute Nachrichten, oder?

Haller Der Verkauf zeigt gut, wie komplex die Sache ist. Dem Verkauf der Waltherparkgesellschaftwurde wurde vom Gläubigerausschuss zugestimmt. Wenn das über die Bühne geht, hat die Gesellschaft einen neuen Eigentümer. Dann sind die Banken dran und können dem Gesellschafterwechsel ebenfalls zustimmen. Dieses Spiel wird es in den nächsten Jahren immer wieder geben. Es wird immer wieder solche Nachrichten geben, wir müssen also die Risikovorsorgen auch immer wieder anpassen. Bei René Benko sind von 2 Milliarden Euro Forderungen 47 Millionen Euro anerkannt worden. Einige werden gegen die Nicht-Anerkennung klagen. Dieser Prozess ist einfach nicht vorhersehbar.

Werden Sie auch klagen?

Haller Das wissen wir noch nicht. Eine Klage gibt es schon, in einem anderen Bereich. Wir möchten nicht sagen, ob und wie wir geklagt haben. Wir werden auch nicht sagen, in welchen Einzelfall wir wie wertberichtigt haben. Das wäre eine wertvolle Information für den Masseverwalter über unsere Schmerzgrenze. Wir werden aber immer Schritt für Schritt überlegen, ob es Klagsmöglichkeiten gibt. Und falls ja, werden wir sie nutzen.

Interview Hypo Vorstand Bank
Vorstandsvorsitzender Michel Haller. vn/Paulitsch

Die Hypo erwirtschaftet 40 Prozent in Vorarlberg. Was würde es bedeuten, wenn sich die Bank nur auf Vorarlberg konzentriert?

Haller Das Kernkapital 2012 lag bei 743 Millionen Euro, jetzt sind 1,434 Milliarden Euro, also ein Zuwachs von fast 700 Millionen Euro. Nur in Vorarlberg hätten wir in diesen Jahren die Hälfte weniger Wachstum gehabt. Aber 2012 waren schon die Gewinne aus 20 Jahren Wien, 15 Jahren St. Gallen und so weiter dabei. Oder nehmen wir an, die Hypo hätte nur Vorarlberg und sonst nichts. Wir wären eine Sechs-Milliarden-Bank, müssten aber in der Struktur vieles selbst machen, was andere Banken an ihre Zentralinstitute abgeben können. Wir hätten also überdurchschnittlich hohe Fixkosten und könnten auch manche Großkunden gar nicht mehr betreuen.

Wie würde das Jahresergebnis aussehen, wenn Sie nur in Vorarlberg aktiv wären?

Haller Das wäre rein hypothetisch wahrscheinlich bei rund zehn bis 15 Millionen Euro. Die Bank hätte eine ganz andere Struktur.

Sie vergleichen sich gerne mit anderen Banken. Wie hat sich die Hypo Vorarlberg im Vergleich zu anderen Banken entwickelt?

Haller Das kann man – natürlich rein hypothetisch – pro Kopf anschaulich zeigen. 2012 hatte die Hypo Vorarlberg ein hartes Kernkapital von 743 Millionen, das Land hatte einen Anteil von 76 Prozent, Vorarlberg hatte 371.000 Einwohner. Das heißt, pro Kopf kommt man auf ein hartes Kernkapital von 1523 Euro. Mittlerweile liegt es bei 2712 Euro pro Vorarlberger. Das ist natürlich nur ein Gedankenspiel.

Amann Wenn man es mit der Hypo Tirol oder der Hypo Niederösterreich vergleicht, kommen deutlich niedrigere Werte raus.

Welche Lehren ziehen Sie aus der Signa-Sache? Sie haben Änderungen bei Kreditvergaben angekündigt.

Haller Wir möchten die Zehn-Prozent-Grenze der Konzerneigenmittel nicht mehr überschreiten.

Das heißt, wenn René Benko jetzt reinmarschiert und noch einmal Kredite in dieser Größenordnung möchte, würde er sie nicht mehr bekommen?

Haller Jetzt nicht mehr, aber in seinen Anfängen schon. Er wäre aber nicht so hoch gegangen mit dieser Regel. Das heißt nun für uns, entweder sind wir dann weniger groß beim Kreditvolumen oder wir gewinnen dieses Volumen mit anderen Kunden. Das ist unser Ziel.

Amann Zum Verständnis: Es gibt regulatorische Grenzen von 25 Prozent, die wären bei uns bei über 300 Millionen Euro, die wir an eine Gruppe bzw. an verbundene Gruppen geben könnten.

Interview Hypo Vorstand Bank
Vetriebsvorstand Wilfried Amann. vn/Paulitsch

Haben Sie viele Kunden, die momentan über diesen zehn Prozent liegen?

Haller Es ist nicht einmal eine Handvoll, also weniger als fünf.

Sind Sie auf René Benko reingefallen?

Haller Die Signa-Gruppe hat in ihrer Entwicklung extrem viele Geschäfte gut gemacht. Der Immobilienzweig hat immer funktioniert. Der große Einstieg in den Handelsbereich hat offenbar einfach nicht mehr zusammengepasst. Wahrscheinlich hat man unterschätzt, wie die Zusammenhänge sind. Aber das Immobiliengeschäft, in dem wir vor allem waren, das hat er schon sehr erfolgreich gemacht. Am Schluss ist wohl zu groß, zu komplex geworden, die Zinserhöhungen gekoppelt mit politischen Diskussionen. In Summe gibt es eine giftige Mischung, die irgendwann explodiert.

Interview Hypo Vorstand Bank
“Man muss die Sichtweise vom damaligen Zeitpunkt einnehmen”, sagen die Vorstände über den Signa-Skandal. vn/Paulitsch

Kann man in der Nachschau also nicht sagen, an dieser oder jener Stelle hätte man nicht doch besser hinschauen sollen?

Haller Man muss die Sichtweise vom damaligen Zeitpunkt einnehmen. Die Privatstiftung hatte damals 100 Millionen Euro Gewinn gemacht. Sie hatte 850 Millionen Euro Eigenkapital. In den unteren Gesellschaften waren viele bekannte und angesehene Personen mit erfolgreichen und guten Projekten. Die Entscheidungen damals sind auf einem guten wirtschaftlichen Fundament gestanden.

Die 47 Millionen Euro Kredit an die Privatstiftung dürften weg sein, oder?

Haller Das hängt davon ab, auch da gibt es einen Masseverwalter. Aber natürlich haben wir sehr hoch wertberichtigt, weil wir auch davon ausgehen, dass da ein hoher Ausfall sein kann?

Wird so etwas wie mit René Benko noch einmal passieren?

Haller Nein, so etwas wird nicht mehr passieren.

Geschäftsjahr 2023

„Als operativ erfolgreiches Jahr trotz wirtschaftlich herausforderndem Umfeld“, tituliert die Hypo Vorarlberg die Bilanz für 2023. Am Ende stand ein Ergebnis vor Steuern von 53,1 Millionen Euro. Im Vorjahr waren es 160,7 Millionen. Ein Grund für den Rückgang ist das Erfordernis, dass aufgrund der Insolvenz der Signa-Gruppe Risikovorsorgen in Höhe von 78 Millionen Euro gebildet werden mussten, um mögliche Ausfälle abzubilden.

Die Kreditnachfrage brach nur im privaten Wohnbau ein (-50%), während bei Firmenkunden die Nachfrage sowie die Vergabe von Finanzierungen höher war als im Vorjahr. Die Bilanzsumme stieg auf 15,73 Milliarden Euro (+2,8 %). Der Zinsüberschuss stieg um 39,2 Prozent auf 233,7 Millionen Euro. Das harte Kernkapital erhöhte sich auf 1,43 Milliarden Euro.

Das Geschäftsjahr 2024 laufe bisher operativ recht gut. Nur das Kreditwachstum sei noch bescheiden. Die Risikoentwicklung hänge nun daran, wie sich die Zinsen entwickeln und inwieweit sich die Wirtschaft erhole (Stichwort: Insolvenzen).