Wie die Arbeiterkammer dem Fachkräftemangel beikommen will

Markt / 11.06.2024 • 17:23 Uhr
AK Bernhard Heinzle
AK Bernhard Heinzle zählte die Stellschrauben auf, die einem Fachkräftemangel aus Sicht der Arbeitnehmervertretung den Schrecken nehmen. Rechts: Studienautorin Gabriele Schmid. AK/Mathis

Die Arbeiterkammer Vorarlberg setzt im Kampf um Fachkräfte auf Qualifizierung, Kinderbetreuung und günstigen Wohnraum.

Feldkirch “Um dem Fachkräftebedarf zu begegnen, müssen wir die Arbeits- und Lebensbedingungen verbessern”, sagt AK-Präsident Bernhard Heinzle anlässlich der Präsentation der Untersuchung zum Fachkräftemangel. “Und zwar so, dass bereits Beschäftigte im Job bleiben.”

Die Bildungsexpertin und Leiterin der „Stabstelle Fachkräfte“ in der Arbeiterkammer Wien, Gabriele Schmid, hat zusammen mit dem Vorarlberger Arbeiterkammer-Präsident Bernhard Heinzle in der AK Vorarlberg das neue Whitepaper, also eine Bestandsaufnahme und Leitfaden zum Fachkräftebedarf in Österreich vorgestellt.

Wie die Arbeiterkammer dem Fachkräftemangel beikommen will
“Oft wird gefragt, warum es so viele Arbeitssuchende gibt, wenn doch gleichzeitig so viele Stellen offen sind”, sagt Gabriele Schmid, Arbeitsmarkt-Expertin der AK Wien. “Aber die gekündigte Möbelketten-Mitarbeiterin aus Oberösterreich kann den Fachkraftbedarf als Krankenpflegerin in Wien oder Starkstromtechnikerin in Vorarlberg eben nicht ohne Weiteres decken.” AK/Mathis

In Österreich wie in Vorarlberg fehlen an vielen Stellen Facharbeitskräfte. Die Lücke reicht von Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen, über Fachkräfte für die Umsetzung der Energiewende wie Installierende hin zu IT-Spezialisierte und vielen anderen mehr. Zudem werde die Situation Jahr für Jahr angespannter, weil die Baby-Boomer-Generation zahlreich in Pension geht.

Der Teufel stecke jedoch im Detail, so die Fachkräfte-Spezialistin. Auch wenn viele Betriebe Arbeitskräfte suchen, müsse unterschieden werden. Die Begriffe „Arbeitskräfte“ und „Fachkräfte“ würden gerne begrifflich in einen Topf geworfen. Dass Fachkräfte mit speziellen Qualifikationen fehlen, rechtfertigt keineswegs unternehmerische Klagen über Arbeitskräfte, die unbefriedigende Arbeitsbedingungen nicht mehr schultern wollen, so die Arbeiterkämmererin

Wie die Arbeiterkammer dem Fachkräftemangel beikommen will
Gabriele Schmid (AK Wien) und AK Vorarlberg-Präsident Bernhard Heinzle. AK/Mathis

In ihrer Analyse zeigt Arbeitsmarkt-Expertin Gabriele Schmid aus ihrer und AK-Sicht drei Gründe für den hohen Fachkräftebedarf auf: Betriebe bilden immer weniger Lehrlinge aus und ziehen sich aus der betrieblichen Weiterbildung deutlich zurück, verweist sie auf die österreichischen Zahlen – seit 2015 nahm der Anteil der weiterbildungsaktiven Unternehmen von 88 Prozent auf 79 Prozent ab. Außerdem verlassen viele ältere Fachkräfte den Arbeitsmarkt in die Pension. Die Erwerbsbevölkerung werde zwischen 2018 und 2040 um in etwa 245.000 Personen schrumpfen – gleichzeitig könnten aber 450.000 Personen für den Arbeitsmarkt gewonnen werden, wenn Kinderbetreuung, Mobilität und andere Rahmenbedingungen bedarfsgerecht verbessert würden. Und “Digitalisierung und sozial-ökologischer Umbau gehen Hand in Hand und krempeln die Arbeitswelt grundlegend um” Schmid spricht von einem notwendigen Umdenken hin zu erneuerbaren Energiesystemen, zu veränderter Mobilität, zu Sanierung und Wiederverwendung – das sei die Basis für den sozial-ökologischen Umbau. “Dafür brauchen Arbeitnehmerinnen und -nehmer angepasste veränderte Qualifikationen, genauso wie für die Digitalisierung.”

„AK Angebote helfen, Fachkräftebedarf zu lindern“

„Wir als Arbeiterkammer setzen uns seit jeher für gute Arbeits- und Lebensbedingungen in Vorarlberg ein – gerade auch als Antwort auf den Fachkräftebedarf“, stellt dazu AK-Präsident Heinzle klar. „Mit unseren Angeboten wie der Wiedereinstiegshilfe Family!Works, Qualifizierungsmaßnahmen und Förderungen wie dem Bildungszuschuss, dem AK Bildungsgutschein, der Bildungs- und Lehrlingsberatung und der FastLane-Plattform tun wir, was in unserer Macht steht, um den Fachkräftebedarf im Sinne unserer Mitglieder zu gestalten. Darüber hinaus analysieren wir mit unserem Standort-Rating regelmäßig die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt und zeigen Herausforderungen, aber auch Lösungen dafür auf.“

Drei Ansatzpunkte der AK Vorarlberg

Die Arbeiterkammer sehe verschiedene Ansatzpunkte, um den Fachkräftebedarf künftig zu decken. Ein besonderes Augenmerk liege dabei auf der Frauenerwerbsquote als größtes Potenzial und auf einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch Ausweitung der Kinderbetreuung und Bildung ab dem ersten Lebensjahr, betont Heinzle. “Ein weiterer Ansatz ist die niedrige Qualifikation als langfristiges Problem und als Chance: Mit einer Qualifizierungsoffensive mit Fokus auf niedrigqualifizierte Personen und deren Bedarfe kann ein großes Potenzial für den Fachkräftebedarf mobilisiert werden.” Zuletzt müsse auch die enorme Wohnkostenbelastung miteingerechnet werden, wenn es um den Wettbewerb um internationale Fachkräfte geht. Eine intensive Ausweitung der gemeinnützigen Miet- und Mietkauf Wohnungen in Vorarlberg sei alternativlos, um den enormen Preisdruck vom privaten Mietwohnungsmarkt zu nehmen, so der AK-Präsident.