Die Alpenländische und ein Telefon von Siemens Vorarlberg

Markt / 09.08.2024 • 16:00 Uhr
Spatenstich der Alpenländischen in Ludesch, Wohnanlage
Die Alpenländische ist in Vorarlberg als gemeinnütziger Wohnbauträger tätig. Im vergangenen August fiel ihr Name im Umfeld der Siemens-Ermittlungen. Alpenländische

Nicht jeder Verdacht in den Siemens-Ermittlungen erhärtete sich bislang. Sie sorgten jedoch für Umwälzungen.

Bregenz Angefangen hat es mit einer Sachverhaltsdarstellung der Siemens AG an die österreichische Staatsanwaltschaft. Seitdem arbeite der Konzern eng mit den Ermittlern zusammen, versichert man aus München. “Weder tolerieren wir Korruption noch andere Verstöße gegen anwendbares Recht”, versichert das Unternehmen. Entsprechend habe man auch Schlüsse aus den Verdachtsfällen gezogen. “So wurden nicht nur Prozesse umfassend durchleuchtet und Anpassungen vorgenommen, Personalentscheidungen getroffen, sondern auch zahlreiche Sensibilisierungsmaßnahmen etabliert, um potenziell kriminellen Machenschaften künftig früher Einhalt zu gebieten bzw. diese auszuschließen.”

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.

Die Ermittlungen seien natürlich für ein Unternehmen und seine Mitarbeitenden eine gewisse Belastung. Siemens stehe dennoch für klares Commitment, dass Fehlverhalten nicht ohne Konsequenzen bleiben dürfe. Hier spüre man auch “eine gewisse Befriedigung” intern, wie die Causa gehandhabt wurde. Geschäftlich profitiere Siemens auch weiterhin vom Boom der künstlichen Intelligenz und der Elekrifizierung, beim Automatisierungsgeschäft erwarte man ebenfalls eine Erholung.  

Vom Festspielhaus bis zum Gemeindebau

Ein Name in der Sachverhaltsdarstellung hatte politische Sprengkraft: Der ehemalige Bregenzer SPÖ-Stadtrat und langjähriger Geschäftsführer der Alpenländischen Wilhelm Muzyczyn habe über das vermutlich kriminelle Netzwerk ein iPhone erhalten. Er könnte daher ein besonderer Nutznießer der betrügerischen Praxis im Umkreis der Siemens Österreich in Vorarlberg sein. Da er außerdem Vizepräsident und stellvertretender Vorsitzender der Bregenzer Festspiele Privatstiftung sowie Aufsichtsratsvorsitzender der Kongresskultur Bregenz GmbH war, lag der Verdacht nahe, diese in den Kreis der betrogenen Unternehmen mitaufnehmen zu müssen. Schließlich ist das eine Unternehmen ein Bauträger, das andere mitten in einer 60 Millionen Euro teuren Sanierung des Festspielhauses. Und auch ein Fußballverein, dem Muzyczyn nahesteht, könnte von Zahlungen durch den beschuldigten Siemens-Mitarbeiter profitiert haben. Der frühere Stadtrat galt jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht als Verdächtiger oder gar Beschuldigter.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.

Muzyczyn räumte unumwunden ein, besagtes Telefon erhalten zu haben. Bei der Alpenländischen sei er nicht der Einzige gewesen, dem ein solches Geschenk gemacht wurde. Dass er jedoch Einfluss auf Ausschreibungen oder Rechnungsstellungen genommen habe, sei ein “Blödsinn”. Da er in die Vergabe gar nicht involviert war, habe es dazu nicht einmal die Gelegenheit gegeben. Die Unternehmen erfuhren von den Vorwürfen aus den Medien. Bei der Alpenländischen in Innsbruck zeigte man sich irritiert und prüfte eine Verletzung von Compliance-Vorschriften des gemeinnützigen Bauträgers. Und bei den Festspielen legte Muzyczyn bis zur Klärung der Vorwürfe seine Funktionen ruhend. Auch besagter Verein betonte, nichts von fragwürdigen Geldquellen geahnt zu haben, als sich ein Sponsor für Fußbälle für die Kampfmannschaft fand.

Spatenstich der Alpenländischen in Ludesch, Wohnanlage
Bürgermeisterin Alexandra Schalegg (3. v.r.) beim Spatenstich der Alpenländische in Ludesch im März 2024. Kein halbes Jahr zuvor trennten sich die Wege des gemeinnützigen Bauträgers und der Ludescherin. Alpenländische

Das Telefon stammte aus einer weiteren Firma: Protec, dessen Geschäftsführer der frühere FPÖ-Landtagsvizepräsident Fritz Amann war. Sie fanden ebenfalls Malversionen in ihren Büchern und sendeten eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft als vom Netzwerk betroffene Firma. Von der Person, die die Fäden in der Hand hielt, trennte sich Protec – und auch bei der Alpenländische wurden Konsequenzen gezogen: Alexandra Schalegg, Geschäftsführerin für den Vorarlberg-Bereich der Alpenländischen, musste den Sessel räumen. Sie sah sich als Bauernopfer, ein Wohnungsverkauf an den beschuldigten Siemens-Mitarbeiter wurde ihr als Compliance-Verstoß ausgelegt. Diese hatte sie gesetzeswidrig aus Unwissenheit ohne böse Absicht nicht dem Aufsichtsrat gemeldet, räumte sie gegenüber den VN ein.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.

Während sie im kurz vor Weihnachten zur Bürgermeisterin von Ludesch wurde, bekam Muzyczyn zeitnah ebenfalls gute Nachrichten: Die Staatsanwaltschaft konnte keinen Verdacht gegen ihn erhärten, die Ermittlungen wurden eingestellt. Zwar kehrte er ins Präsidium der Bregenzer Festspiele zurück, wird dieses nun aber mit Oktober 2024 wieder verlassen. Dieses Mal jedoch freiwillig, zu seinem 72. Geburtstag steht der Ruhestand an.