Martin Ohneberg: “Weg mit der Zwangsmitgliedschaft”

Markt / 26.03.2025 • 10:41 Uhr
Martin Ohneberg: "Weg mit der Zwangsmitgliedschaft"

Gut eine Woche ist die Wirtschaftskammerwahl in Vorarlberg und Österreich her. Social Media und Presseaussendungen sind voll mit Gratulationen und Lobeshymnen, mit Stolz über die Erfolge bei der Wahl und keiner Selbstreflexion. Und zugegeben: mit Ergebnissen von über 50 % bis hin zu über 80 % sind Resultate, die man heutzutage nur noch in autokratischen Staaten sieht, demnach könnte man das durchaus als Auftrag zum Weitermachen sehen. Schließlich sind einige Services, allen voran die Außenwirtschaft, wirklich eine wichtige Hilfe für österreichische Betriebe. 

Wenn da nicht die Wahlbeteiligung wäre. In Österreich haben gerade einmal 26,5 % der Wahlberechtigten auch tatsächlich gewählt, in Vorarlberg gar nur 16 %. Kann man hier wirklich von „überzeugender Arbeit in der Vergangenheit“ reden, wenn nur einer von sechs Wählern überhaupt mitreden will? Manche würden hier argumentieren, dass es ja jedem selbst überlassen ist, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. Stimmt auch. Aber wenn sich eine atemberaubende Mehrheit von 84% dazu entschließt, nicht wählen zu gehen, hat das wahrscheinlich nichts mit überzeugender Interessenvertretung oder überzeugendem Service zu tun – es ist den Wählern einfach egal. Und da beginnt für mich nun die Diskussion, ob diese Pflichtmitgliedschaft bei einer Interessenvertretung überhaupt noch zeitgemäß ist – schließlich ist sie europa- und weltweit nahezu ausgestorben. 

Neben dem demokratiepolitischen Problem der Kammern – bewusst plural, es betrifft nämlich insbesondere auch die Arbeiterkammer – geht es auch um eine finanzielle Belastung für die Unternehmen: Ein Unternehmen zahlt schnell mal zig Tausende Euro jährlich für die Mitgliedschaft, ein Mittelständler gerne einen Betrag im fünf- bis sechsstelligen Bereich. Wie viel genau ein Betrieb zahlt? Das ist mit der Grundumlage, Kammerumlage 1 und Kammerumlage 2 nicht ganz einfach zum Überschauen. Gerade zu Zeiten hoher Lohnkosten und dem dringenden Bedarf nach sinkenden Steuern und Abgaben wäre eine freiwillige Mitgliedschaft eine große Hilfe für die Betriebe, die die Kammer nicht brauchen. 

Innerlich höre ich schon die Argumente der Gegner dieses Kommentars: Die Zwangsmitgliedschaft sei doch Garant für eine starke Vertretung der Wirtschaft und das schaffe man nur, wenn alle auch wirklich dabei sind und sich solidarisch verhalten. Dem kann ich nur eines entgegnen: Wir sind eines der wenigen Länder mit einer Zwangsmitgliedschaft für Unternehmen weltweit – und eines der wenigen Länder mit einer seit drei Jahren schrumpfenden und an Wettbewerbsfähigkeit verlierender Wirtschaft. Also alles richtig gemacht?

Martin Ohneberg ist CEO der HENN Industrial Group, früherer IV-Präsident und sitzt im Aufsichtsrat mehrerer Unternehmen.