“Höchste Ansprüche und billigste Lebensmittel – das geht sich nicht aus”

Markt / 06.08.2025 • 16:34 Uhr
"Höchste Ansprüche und billigste Lebensmittel – das geht sich nicht aus"

Marterbauer-Überlegung sorgt weiter für heftige Diskussion: Landwirtschaft, Handel und Ökonomen halten staatliche Einflussnahme für falsch und Finanzminister-Vorschlag für populistisch – ganz im Gegensatz zu Gewerkschaft und AK.

Bregenz, Feldkirch Wien “Ich bin sehr verwundert über einen Finanzminister, der das in dieser Form thematisiert”, zeigt sich der Präsident der Landwirtschaftskammer Vorarlberg und Präsident der Präsidentenkonferenz der österreichischen Landwirtschaftskammer, Josef Moosbrugger, konsterniert. “Das erweckt den Eindruck, als ob die Politik die Preise beeinflussen könnte”, sagt er und ortet wie politische Beobachter “viel Populismus” im Vorstoß von Markus Marterbauer. Aus Sicht der Landwirtschaft jedenfalls halte er nichts von einem staatlich verordneten Preisdeckel.

Josef Moosbrugger
Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger: “Zu glauben, Lebensmittel können billiger werden, ist unrealistisch”. Es gelte, die Wurzel der Teuerung zu bekämpfen.” VN/Rhomberg

Damit ist er längst nicht alleine. Auch Ökonomen wie der Präsident des Fiskalrates, Christoph Badelt, glauben nicht an einen erfolgreichen Lenkungsprozess, wie er im Ö1-Mittagsjournal sagte: Es stelle sich die Frage, was etwa zum Grundbedarf zähle. Eine staatliche Preisfestsetzung müsse irgendwann aufgehoben werden – und würde dann zu einem neuerlichen Preisschub führen. Zudem sei bei preisregulierten Standardprodukten nicht mehr gewährleistet, dass diese vom Handel geführt werden.

“Keine Schnellschüsse”

Der Sprecher des Vorarlberger Lebensmittelhandels, Sutterlüty-Geschäftsführer Daniel Drechsel, sieht den Vorschlag genauso skeptisch: “Wer Lebensmittelpreise dauerhaft stabilisieren will, muss an den tatsächlichen Ursachen ansetzen – auf den globalen Rohstoffmärkten, in der Energiepolitik und bei den regulatorischen Rahmenbedingungen, pauschale Eingriffe in Preise sind nicht nur wirkungslos, sondern auch langfristig schädlich. Wir brauchen tragfähige Lösungen, Schnellschüsse nützen am Ende niemandem.”

"Höchste Ansprüche und billigste Lebensmittel – das geht sich nicht aus"
SPÖ-Landesparteivorsitzender Mario Leiter möchte Lebensmittelpreisdeckel, will aber im Gegensatz zum Finanzminister dafür die Mehrwertsteuer aussetzen. VN/KH

Für den Landwirtschaftskammer-Präsidenten zählen neben den von Drechsel genannten Ursachen auch hausgemachte Kostentreiber, wie z. B. die Lohnkosten, die “in den letzten Jahren über 20 Prozent gestiegen sind”, zu den Preistreibern. Auch Badelt sähe in maßvollen KV-Abschlüssen eine Möglichkeit, die Inflation zu dämpfen. Was freilich SPÖ-Chef Mario Leiter und ÖGB-Vorarlberg-Vorsitzender Reinhard Stemmer anders sehen. Leiter könnte sich aber auch vorstellen, was für seinen Genossen Marterbauer nicht infrage kommt: “Gezielte Preisdämpfung bei grundlegenden Lebensmitteln etwa durch das Aussetzen der Mehrwertsteuer wären Maßnahmen, die der Bevölkerung eine sofortige, spürbare Entlastung bringen”, so der SPÖ-Landesvorsitzende. Und Stemmer wünschte sich schon früher staatliche Eingriffe: “Hätte die Politik früher regulierend eingegriffen, müssten sich die Unternehmer:innen heute nicht über notwendige Lohnanpassungen beklagen.”

"Höchste Ansprüche und billigste Lebensmittel – das geht sich nicht aus"
Der Präsident des Fiskalrates, Christoph Badelt, sieht wenig bis gar keine lenkende Wirkung durch staatlich festgesetzte Preise. VN/Paulitsch

Dass Eingriffe nicht funktionieren, betonen Ökonomen wie Sebastian Koch vom IHS: “Preisgedeckelte Produkte sind keine Lösung, wie das Beispiel Ungarn zeigt. Händler bieten Produkte, mit denen sie keinen Gewinn erzielen, nicht mehr an.” Das würde den Schwarzmarkt beflügeln.” Für Josef Moosbrugger ist auf jeden Fall klar, dass die Urproduzenten unter einer solchen Maßnahme weiter leiden würden. “Die Einkommen in der Landwirtschaft stagnieren seit Jahren.” Seuchen, Klimawandel, fehlender Pflanzenschutz seien weitere Gründe für höhere Preise und neben Österreich habe auch die EU mit Systemen, die “einen extremen bürokratischen Aufwand” nach sich ziehen, zur Kostensteigerung beigetragen.

“Kein Modell im Kopf”

“Höchste Ansprüche und billigste Lebensmittel, das geht nicht aus”, fasst er die aktuelle Diskussion zusammen. Und die Diskussion um territorial verschiedene Lieferbedingungen, in der große Hersteller es dem Lebensmittelhandel schwer oder unmöglich machen, Produkte in anderen EU-Ländern zu beziehen und weiterzuverkaufen, müsse überhaupt auf europäischer Ebene angegangen werden und könne nicht in Österreich gelöst werden, betonen Ökonomen wie Betroffene. Das weiß auch Finanzminister Marterbauer. Nicht umsonst betonte er bereits zu Beginn der Diskussion: “Ich hab kein Modell im Kopf”.