“Wenn die Wirtschaft schweigt, weil die Partei es anscheinend verlangt”

Mercosur ist ein Paradebeispiel dafür, warum ich seit Jahren konsequent gegen das derzeitige System der Wirtschaftskammer auftrete. Nicht aus Prinzip, nicht aus Lust an der Provokation – sondern aus nüchterner Analyse. Es geht um Entpolitisierung, Transparenz und Glaubwürdigkeit einer starken Unternehmervertretung, die diesen Namen auch verdienen soll.
Das EU-Mercosur-Abkommen ist für die österreichische Wirtschaft objektiv sehr relevant: neue Märkte, Exportchancen, strategische Diversifizierung in einer Phase, in der wir uns mitten in einer jahrelangen Rezession mit schwacher Nachfrage und massiven Standortproblemen befinden. Das ist keine Ideologie, das ist wirtschaftliche Realität. Umso bemerkenswerter – und bezeichnender – ist, was jetzt passiert: Die ÖVP stellt sich erneut dagegen. Und die Wirtschaftskammer? Überraschend ruhig.
Warum eigentlich? Die Antwort ist unbequem, aber offensichtlich: Die ÖVP als selbsternannte “Wirtschaftspartei” ist eng mit der Wirtschaftskammer verflochten. Wirtschaftsbund und Kammer sind strukturell, personell und politisch miteinander verbunden. Gleichzeitig kommen die lautesten Mercosur-Gegner aus anderen ÖVP-Bünden: Landwirtschaftskammer, Bauernbund, weitere Teilorganisationen. Das Ergebnis ist ein klassischer innerparteilicher Machtkonflikt – auf dem Rücken der Gesamtwirtschaft.
Und genau hier liegt das Problem: Die Wirtschaftskammer und der Wirtschaftsbund müssten in dieser Situation aufschreien. Sie müssten öffentlich, klar und faktenbasiert Stellung beziehen. Sie müssten sagen: Dieses Abkommen ist wichtig für Industrie, Exportwirtschaft, Arbeitsplätze, Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit. Und sie müssten bei jeder möglichen Abstimmung so abstimmen, wie es für die Wirtschaft am besten wäre. Doch das passiert nicht. Fehlanzeige. Denn die Kammer und der Wirtschaftsbund können – oder wollen – der eigenen Partei nicht in den Rücken fallen.
Das ist keine starke Interessenvertretung. Das ist politische Rücksichtnahme. Ich schätze viele Services der Wirtschaftskammer. Ich schätze ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die tagtäglich gute Arbeit für Betriebe leisten. Aber Mercosur ist einmal mehr der Beweis dafür, dass das System Kammer in seiner jetzigen Form politisch gefangen ist. Genau deshalb lehne ich die Zwangsmitgliedschaft ab. Eine Vertretung, die sich nicht traut, ihre eigene politische Nähe zu überwinden, darf nicht alternativlos sein.
Wir brauchen dringend eine starke, unabhängige und laute Unternehmervertretung – gerade in Zeiten wie diesen. Eine Vertretung, die der Regierung widerspricht, wenn wirtschaftlicher Schaden droht. Eine Vertretung, die Fakten über Parteibünde stellt. Die ÖVP als Wirtschaftspartei zu bezeichnen und ihr wirtschaftspolitische Kompetenz zuzuschreiben, ist angesichts dieser Gemengelage schlicht nicht haltbar. Diese Partei wird dominiert von anderen Bünden – Landwirtschaft, ÖAAB und internen Machtlogiken. Wirtschaft ist dort oft nur ein Unterkapitel. Mercosur zeigt das schmerzhaft klar. Und bestätigt leider meine Position, die sich seit Jahren nicht geändert hat – auch wenn ich dafür regelmäßig kritisiert werde.