Schicksal kam zu Hilfe

Menschen / 29.03.2020 • 21:38 Uhr
Beeindruckende Zeitreise durch ihr Leben als Kind der Kriegszeit.
Beeindruckende Zeitreise durch ihr Leben als Kind der Kriegszeit.

Lohner mit neuem Buch „Ich bin ein Kind der Stadt – Wienerin seit 1943“.

Wien Sie ist gewiss eines der bekanntesten Gesichter unseres Landes. Und was sie sonst noch alles war und ist! Zum Beispiel Schauspielerin, Kabarettistin, begehrtes Fotomodell, TV-Moderatorin, Stimme der Österreichischen Bundesbahnen und erfolgreiche Autorin. In letztgenannter Funktion präsentiert Chris Lohner nun ihr neues Buch „Ich bin ein Kind der Stadt – Wienerin seit 1943“. Es beginnt in ihrer Kindheit und endet mit dem Staatsvertrag 1955. Das Vorwort zum Buch, darauf ist sie stolz, hat Dr. Hugo Portisch geschrieben.

 

Ihr erstes Buch war gleich ein Hammer. Es erschien 1997 und betitelte sich „Keiner liebt mich so wie ich“?

LOHNER Es wurde ein Megabestseller. 150.000 verkaufte Exemplare in nur neun Monaten. Damals, in aller Bescheidenheit, echt ein Wahnsinn. Eine Sensation.

 

Sie sind ja keine geborene Lohner, kamen am 10. Juli 1943, mitten im Krieg, als Christine Keprda zur Welt. Ein tschechischer Familienname, mit dem Sie es anfangs sicher nicht leicht hatten?

LOHNER Richtig, der Name war nicht leicht auszusprechen. Ich wurde immer wieder gebeten, ihn zu buchstabieren. Ich wurde selten beim Namen genannt, meist hieß es: „Mäderl, steh’ auf und sag uns, wie du heißt!“ Doch das alles löste sich später von selbst, als ich durch die Heirat mit Alfi Lohner zu Chris Lohner wurde.

 

Was können Sie über Ihr Elternhaus erzählen?

LOHNER Mein Vater Franz Keprda wurde der jüngste Wiener Volkshochschuldirektor, meine Mutter war Hausfrau. In den Kriegsjahren waren wir natürlich arm – und trotzdem reich. Kulturell reich. Weil der Vater gelernter Bibliothekar war, hatten wir nicht nur genug, sondern vor allem die richtigen Bücher zur Verfügung. Ich begann sie zu lesen, sobald ich des Lesens mächtig war. Und das war gut so, denn was man in der Jugend nicht liest, holt man später nie mehr nach. Und vor allem glaube ich fest daran: Wer nicht liest, schreibt auch selbst nicht. Pippi Langstrumpf, Heidi, Nils Holgersson – gehörte alles zu meinem Repertoire. Mein Vater, möchte ich noch ergänzen, war ein absoluter Menschenfreund, ein Altruist. Wann immer jemand mit Problemen zu ihm kam, er hat geholfen. Ich erinnere mich da noch gut an den Nachbarbuben, der ihm einmal klagte: „Ich würde so gerne lesen, aber ich habe keine Bücher!“ Mein Vater antwortete: „Geh auf unseren Dachboden, dort findest du Bücher in einer Kiste. Nimm dir, so viele du willst.“

 

Das Leben hat es, wie viele wichtige Ereignisse zeigen, von Anfang an gut mit Ihnen gemeint.

LOHNER Mit meinen damals 18 Jahren waren die USA schlechthin das „Wunderland“. Ich machte drüben auch die US-Matura, die für mich ein Klacks war. Besonders begeistert hat mich das Unterrichtsfach „Speech“, ein Training für die freie Rede. Eine tolle Sache, die ich auch unseren heutigen Schulen in Österreich empfehlen würde. In Amerika begann ich auch ein Schauspielstudium.

Die Schauspielerei blieb danach ein brennender Wunsch.

LOHNER Das hatte sich schon in der Kindheit angedeutet, und mein Vater hatte Verständnis dafür gehabt. Als ich erst fünf war, ließ er mich im Kammersaal seiner Volkshochschule in „Brüderlein und Schwesterlein“ auftreten. Ich spielte ein kleines Mädchen, dessen Bruder verzaubert wurde. Nach der Rückkehr aus den USA sprach ich mit meinem Vater über den Wunsch, Schauspielerin zu werden. Er reagierte genau richtig, indem er erklärte: „Ja, natürlich darfst du. Du musst nur schauen, w i e du das machst!“

 

Wieder kam das Schicksal zu Hilfe.

LOHNER So ist es. Als ich einmal bei der Oper auf meinen Bus wartete, sprach mich ein Mann an: „Entschuldigung, ich bin Fotograf und würde gerne Probeaufnahmen mit Ihnen machen!“ Aber dieser Fotograf, Otto Tomann, erwies sich letztendlich als seriös, der Kontakt mit ihm wurde für mich das Tor zu einer Karriere als Fotomodell. Ich konnte in Paris, Düsseldorf und in der Schweiz Fuß fassen, verdiente mehr als genug, um mir die Schauspielerausbildung leisten zu können, und mit 30 hatte ich dann genug. Ich kehrte nach Wien zurück.

 

Wo der ORF wartete.

LOHNER Der ORF wurde für mich in den Jahren 1973 bis 2003 lebensbestimmend. Man hat mich dort nie in ein Korsett gesteckt, gewährte mir viel Freiheit und Kreativität.

 

Haben Sie noch Wünsche an das Leben?

LOHNER Ja, einen Wunsch hätte ich: Seit ich auf der Welt bin, gibt es immer irgendwo Krieg. Ich würde gern noch eine Zeit erleben, in der es nirgendwo mehr Krieg gibt. LH

Chris Lohner nahm schon damals das Leben mit einer Portion Humor. Ihr Leben voller Höhen und Tiefen.
Chris Lohner nahm schon damals das Leben mit einer Portion Humor. Ihr Leben voller Höhen und Tiefen.
Schicksal kam zu Hilfe

Buch „Ich bin ein Kind der Stadt – Wienerin seit 1943“,Chris Lohner