Sexuelle Revolution, Kommune 1

Alt-68er Rainer Langhans feiert seinen 80.Geburtstag.
München Er propagierte die sexuelle Revolution, schockte das Establishment mit freizügigen Posen, war mit dem Fotomodell Uschi Obermaier liiert – und überrascht heute mit Aussagen wie: Über das Internet entstehe mehr Kommunikation und damit mehr Liebe in der Welt denn je, der Zölibat sei als Weg zur Spiritualität grundsätzlich richtig und: „Ich hatte größte Probleme mit Frauen.“ Rainer Langhans, Ikone der 1968er und von Frauen umschwärmt, ist mit fast 80 Jahren weiter auf dem Weg zu sich selbst. Heute, Freitag, feiert der Grimme-Preisträger, Autor, Schauspieler und Filmemacher den runden Geburtstag.
Weiß ist die Kleidung, weiß das Haar, weiß der Dreitagesbartansatz – er trage Weiß seit Jahrzehnten, weil es alle Farben enthalte, sagt er. Sparsam ist sein Lebensentwurf: Vegetarische Ernährung. Spaziergänge. Ein wenig Tischtennis. Ein paar Liegestütze und Klimmzüge. Meditation. „Ich bin ganz bewusst sehr arm, um nicht gezwungen zu sein, Geld zu verdienen.“ Langhans lebt mit vier Frauen in einer Gemeinschaft namens „Harem“, jede aber in ihrer Wohnung. „Es ist eine Kommune, aber dadurch, dass die Körper nicht zusammenleben, können wir geistig zusammenkommen.“ „Make love, not war“ – der Slogan gegen Kalten Krieg und Vietnamkrieg sei missverstanden worden, sagt er. Es sei schon in der Kommune 1 um geistige Verbindung gegangen, Langhans spricht von „geistigem Sex“. „Als das wieder wegging, habe ich mit der sexuellen Revolution versucht, mit Uschi Obermaier wieder dahin zu kommen – aber es ging einfach nicht. Ich habe das abgebrochen“, sagt Langhans, heute mit Obermaier zerstritten. Wirklich freie Liebe sei von Sex und Körper befreit.
Langhans für Datenfreizügigkeit
Anstatt freizügiger Liebe propagiert Langhans nun das freizügige Teilen persönlicher Daten im Netz. „Ich gebe meine Daten freiwillig und bekomme dafür eure“, laute der Deal. Wer ängstlich über seine Daten wache, sei wie jemand, der auf seinem Geld sitze. Mit seinen Erkenntnissen und Ansichten bleibt er gelegentlich allein. „Ich habe versucht, die Erfahrung in einem kleinen Buch aufzuschreiben (#soists – Selfies von der Kommune bis zu Trump), aber es kauft niemand. Weil das keiner versteht.“
Langhans wurde als erstes von vier Kindern in Oschersleben bei Magdeburg geboren. „Ich konnte einfach nichts mit Menschen anfangen, ich wusste nicht, was das soll. Ich war völlig unglücklich“, sagt er über die Kindheit. Erst spät habe er verstanden, was mit ihm nicht gestimmt habe, sagt er heute: Er sei ein Asperger-Autist, der in eine andere, eine neue Welt gehörte. Seine Eltern konnten damit nicht umgehen, gaben ihn in ein strenges religiöses Internat. Danach ging Langhans erst einmal in die entgegengesetzte Richtung: Er wurde Zeitsoldat. Heute bekommt er eine kleine Rente daraus. Die Verpflichtung ermöglichte das Studium. In Berlin studierte er zuerst Jura und dann Psychologie, ohne Abschluss. Die Revolution sei dazwischen gekommen, sagt er heute.
Im „Argumentclub“ und im Sozialistischen Deutschen Studentenbund fand er Gleichgesinnte. Er wurde Mitbegründer der Kommune 1, entstanden aus der außerparlamentarischen Opposition. Mit ihrem radikalen Gegenentwurf wurden die Mitglieder zum Bürgerschreck. Sie wandten sich gegen die Nazi-Generation, den Schah und den Vietnam-Krieg. Ihre Aktionen machten Schlagzeilen.
„Es war das Paradies“
Die Seligkeit währte ein Jahr. Niemand habe verstanden, warum das Glück so verschwand, wie es auftauchte, sagt er. Es sei das Paradies gewesen – und wer das einmal erfahren habe, suche diese bessere Welt lebenslang.
Immerhin, so sagt Langhans, sei er mit der fortgesetzten Suche glücklicher denn je. „Ich fühle mich nicht alt, für mich ist 80 eine völlig abstrakte Geschichte. Was ist 80? Mein Körper zeigt‘s mir noch wenig, mein Geist ist fröhlicher und jünger denn je.“