Freiräume schaffen

Birgit Loacker unterstützt im Rahmen der Lebenshilfe Menschen mit Behinderung.
Hohenems „Ich muss nur noch meinen Pager holen, dann können wir reden“, sagt Birgit Loacker. Es raschelt im Telefonhörer, als sie nach dem Gerät greift. Seit Kurzem ist die 51-jährige Hohenemserin ehrenamtlich beim Kriseninterventionsteam (KIT) tätig und hat auch schon ihre ersten Einsätze absolviert. „Wenn das Gerät anschlägt, muss ich weg“, gibt sie sicherheitshalber noch zu verstehen. Was Birgit Loacker anpackt, nimmt sie ernst, so auch ihren Hauptberuf. Seit 15 Jahren arbeitet sie bei der Lebenshilfe mit Menschen mit Behinderung. Als Leiterin des Bereichs „Familie und Freizeit“ betreut und begleitet sie mit ihrem Team rund 110 Familien. Die Mutter von zwei erwachsenen Söhnen brennt für diese Aufgabe, und das nicht nur am „Tag der Menschen mit Behinderung“, der alljährlich am 3. Dezember im Kalender steht. Birgit Loacker hat während ihrer bereits langjährigen Tätigkeit erfahren, wie stark Familien trotz aller Einschränkungen, die das Handicap eines Angehörigen mit sich bringt, sind. „Wir versuchen, diese Familien zu unterstützen, damit das Leben ein bisschen leichter ist“, beschreibt sie ihre Philosophie.
Vom Praktikum zur Leitung
Birgit Loacker kommt eigentlich aus dem Einzelhandel. Als die Familie wuchs, blieb sie zehn Jahre zu Hause, dann drängte es sie wieder in einen Beruf. Zurück in den Handel wollte sie zwar nicht, nimmt aber weiterhin Lehrabschlussprüfungen ab. „Die jungen Leute sind mir wichtig.“ Dennoch griff sie zu, als ihr von der Lebenshilfe ein Praktikum in Batschuns angeboten wurde. Drei Monate sog sie alles an Theorie und Praxis auf, was möglich war. Danach hatte sie eine fixe Anstellung in der Tasche. Drei Jahre blieb Birgit Loacker in Batschuns. Nebenbei studierte sie in Linz noch Caremanagement. 2011 übernahm sie schließlich den Bereich „Familie und Freizeit“. Sie hat den Schritt nicht bereut. Die Beschäftigung mit Menschen mit Behinderung und ihren Familien sei herausfordernd, aber: „Ich habe ein geniales Team an meiner Seite“, schwärmt Loacker in höchsten Tönen von ihren 27 Kolleginnen und Kollegen. Ein Wermutstropfen mischt sich allerdings in die Euphorie: Wie in anderen Bereichen mangelt es auch der Lebenshilfe an Fachpersonal. „Wir freuen uns über jede Bewerbung“, flicht sie noch schnell in eigener Sache ein.
Bewusstsein schaffen
Die Arbeit selbst beschreibt sie als „total spannend“ und „jeden Tag anders“. Was es aber immer brauche, sei Sensibilität und Einfühlungsvermögen, denn Hilfe in Anspruch zu nehmen, koste die Familien oft Überwindung. „Deshalb sagen wir ihnen nicht, was gut für sie wäre, sondern schauen, was sie brauchen.“ Birgit Loacker und ihr Team schaffen Freiräume dort, wo es die Familien wollen. Ein Paarabend, ein Ausflug mit den Geschwisterkindern: Es geht immer um ein individuelles Angebot. Das wirkt letztlich auch prophylaktisch. „Je leichter sich der Alltag gestalten lässt, umso länger können Menschen mit Behinderung im Familienverband bleiben“, erklärt Birgit Loacker.
Ein Anliegen ist es ihr auch, Bewusstsein für Menschen mit Behinderung zu schaffen. Deshalb geht sie mit ihnen, wo immer es möglich ist, hinaus in den Sozialraum. Doch sie hat festgestellt: „Es ist immer noch ein Bohren harter Bretter.“ Abschrecken lässt sie sich davon nicht: „Man freut sich an dem, was gelingt, und das ist immer mehr.“ Kraft für die Arbeit holt sich Birgit Loacker bei der täglichen Laufrunde mit ihrem Mann und bei Gesellschaftsspielen mit ihrer 77-jährigen Mutter. VN-MM
„Wir sagen nicht, was gut für die Familie ist, sondern schauen, was sie braucht.“



Freizeitveranstaltungen und Exkursionen unter dem Motto “A guate Zit verbringen” sind bei Menschen mit Behinderung gefragt, zum Leidwesen aller derzeit aber nicht möglich.
Zur Person
Birgit Loacker
Alter 51
Werdegang Ausbildung im Einzelhandel, Studium Caremanagement
Beruf Leiterin des Bereichs „Familie und Freizeit“ bei der Lebenshilfe
Wohnort Hohenems
Familie verheiratet, zwei erwachsene Söhne