Die Tatkräftige

Bettina Bitschi hat sich sofort für Flüchtende aus der Ukraine engagiert.
BLUDENZ Wenn Bettina Bitschi mit einem ihrer Reisebusse unterwegs ist, fällt sie unweigerlich auf. Die zierlich wirkende Busunternehmerin hat sich vor 29 Jahren in eine Männerdomäne gewagt: „Damals war ich noch ein Unikum. Es gab keine anderen Busfahrerinnen. Manche Leute sind anfangs wegen ihrer Vorbehalte erst gar nicht bei mir eingestiegen.“ Mittlerweile sind alle Vorbehalte verflogen. Mit so vielen Jahren Berufserfahrung gewann die sympathische Bludenzerin immer mehr Routine. Umsichtig und mit viel Präzision lenkt sie den jeweiligen Bus, vier Busse befinden sich mittlerweile in ihrem Besitz: „Es ist wichtig, in jeder Situation ruhig und vorausschauend zu fahren.“
Mut zu Neuem
Schon ihr Vater führte in Brand ein Busunternehmen: „Er hat 1962 unter schwierigen Bedingungen mit einem VW-Bus gestartet. Kapital war keines vorhanden, denn mein Vater hatte 13 Geschwister. Meine Mutter stammt aus Hamburg. Sie hatte drei Jahre während ihrer Kindheit in England verbracht und war in Brand als Englisch-Lehrerin tätig.“ Nach Absolvierung der Gastgewerbeschule zog es Bettina Bitschi zuerst ins Ausland: „Ich war für einen englischen Touristikveranstalter weltweit tätig. So habe ich ein Jahr in den USA gelebt, habe aber auch auf anderen Kontinenten gewohnt und gearbeitet.“ Andere Kulturen und deren Lebensbedingungen haben die mutige Frau immer schon interessiert. Nach acht Jahren zog es sie wieder in ihre Heimat zurück. Ihr nächster Beruf hatte wiederum mit Tourismus zu tun, sie begleitete als Guide für ein Tiroler Busunternehmen Österreich-Rundfahrten, manchmal bei zwei Bussen gleichzeitig. Nebenher schloss sie die Stadtführer-Konzessionsprüfung ab. Aber Flexibilität und Organisation liegen ihr. Das kam ihr auch bei der Übernahme des elterlichen Busunternehmens zugute. Das war eine ganz besondere Herausforderung, die ihr viel abverlangt hat. „Ein Grundprinzip von mir ist, wenn ich etwas starte, dann ziehe ich das auch durch“, betont die vielseitige Unternehmerin.
Praktische Hilfestellung bieten
Bettina Bitschi zeichnet aber auch eine soziale Komponente aus, die in vielerlei Hinsicht immer wieder zum Tragen kommt. So auch bei der brutalen Invasion der russischen Streitkräfte in die Ukraine: „Ich war fassungslos und zutiefst berührt vom Schicksal dieser Menschen.“ Es war ihr wichtig, ins Tun zu kommen, denn sie fühlte sich durch all die schrecklichen Bilder wie gelähmt: „Es war ein Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht, das sich breit zu machen drohte.“ Und wie es eben ihrer Wesensart entspricht, recherchierte sie, inwieweit sie persönlich den Geflüchteten helfen könne. Ein erster Transport mit Hilfsgütern aus dem Kolpinghaus Dornbirn brachte sie nach Linz. Von einer Weiterfahrt an die ukrainische Grenze wurde ihr jedoch abgeraten. „Ich habe andere Busfahrer aus Deutschland angerufen und mich kundig gemacht.“ Sodann hat sie einen befreundeten Busunternehmer, Bernhard Winter aus Wörgl, kontaktiert: „Bernhard war sofort bereit, mitzufahren. Wir sind dann bereits am Abend des 6. März klammheimlich nach Korcowa, das liegt an der polnisch/ukrainischen Grenze, gestartet. Nach 14 Stunden erreichten wir das Lager, das in einem ehemaligen Einkaufszentrum untergebraucht ist. Es herrschte ein unvorstellbares Chaos. Wir mussten uns erst orientieren.“ Angst habe sie zu keinem Zeitpunkt gehabt, wobei schon eine gewisse Aufregung dabei war: „Ich habe am Sonntag noch alles organisiert und den Bus hergerichtet, dann ging unsere Fahrt los. Mit Bernhard verstehe ich mich bestens, wir haben den gleichen Fahrstil. Das erleichterte alles.“ Kurzfristig habe sich Tomasz, ein gebürtiger Pole, der seit vielen Jahren in Nenzing lebt, gemeldet und ist als Übersetzer mitgefahren, was sehr hilfreich war, denn Bettina Bitschi konnte sich nur über Google-Translator verständigen. Am folgenden Tag ging die Fahrt zurück, wiederum 14 Stunden. Aktuell fährt sie bereits zum dritten Mal nach Polen, inzwischen kennt sie sich besser aus: „Aber es gibt ständig neue Herausforderungen und Hindernisse. Ich möchte aber den Menschen helfen.“ BI
„Es herrschte ein unvorstellbares Chaos. Wir mussten uns erst orientieren.“



Zur Person
BETTINA BITSCHI
Geboren 1966
Wohnort Bludenz
Beruf selbstständige Busunternehmerin
Hobbys Tiere, Malen, Musik (Blockflöte und Zither), ausgefülltes Alleinsein
Lebensmotto: Ich bleibe mit meiner Freiheit verheiratet
Spendenkonto für gezielte Hilfe flüchtender Menschen: AT75 3746 8000 1003 1748