Von liebenswerten Außenseitern

Unter dem Titel „Bruchlinien“ hat Jutta Rinner-Blum das Schundheft Nr. 41 verfasst.
DORNBIRN Vielleicht wäre alles ganz anders gekommen, wenn sie nicht in die Stadt gezogen wäre, sagen die Leute, als erste Gerüchte über das Verschwinden von Rosie die Runde machen. So beginnt „Rosie und Josie“, die erste Erzählung im Schundheft Nr. 41, das den Titel „Bruchlinien“ trägt und von der 64-jährigen Schriftstellerin Jutta Rinner-Blum verfasst wurde. Herausgegeben werden die Schundhefte vom Verlag unartproduktion. Rinner-Blum – sie hat bisher zwei Gedichtbände, ein Hörspiel, ein Theaterstück veröffentlicht und wurde mit dem Harder Literaturpreis sowie dem Kulturpreis des Landes Vorarlberg ausgezeichnet – hat die 80 Seiten des neuen Schundheftes mit fünf Kurzgeschichten gefüllt.
In „Rosie und Josie“ beschreibt die Autorin die Freundschaft zwischen Rosie und dem viel jüngeren Josie, der viel mehr von ihr ersehnt. Rosie geht jedoch mit einem Fremden in die Stadt. Josie bleibt im Dorf zurück, mit Rosies Tagebuch, das er in der Scheune gefunden hat, in der er sich immer mit ihr getroffen hat.
Um Beziehungsbruch geht es auch in „Gustav heißt Mustafa“. Die 17-jährige Christina hat sich in den 18-jährigen Türken Gustav verliebt. Als Gustav zu Mustafa wird, prallen zwei unterschiedliche Kulturen aufeinander. In „Joe‘s Welten“ beobachtet Rinner-Blum Joe, der stundenlang zu Hause auf der Treppe sitzt und redet. Mit Ines oder mit jemandem, der zufällig vorbeikommt. Der einzige Mensch, der ihn versteht, ist ein Kind.
In der Erzählung „Fatma“ stellt die Protagonistin ihrer Mutter gegenüber klar, dass sie keinen Mann will, „und einen türkischen schon gar nicht“. Fatma wird sexuell missbraucht. Von ihrem Onkel.
Die letzte Geschichte, „Bruchlinien“, handelt von einer jungen Frau, die sich immer mehr verliert, bis sie nicht einmal mehr ihr eigenes Spiegelbild erträgt.
Die Figuren in Rinner-Blums fünf Erzählungen sind frei erfunden und haben eines gemeinsam: „Alle sind Außenseiter, alle haben Bruchstellen, die mit ihrer Lebensrolle zu tun haben. Mit Ausnahme von Joe, er ist wahnsinnig“, erklärt die Autorin und fügt hinzu: „In dieser Welt kann man nur wahnsinnig werden.“ Sie weiß wovon sie spricht, denn sie ist Psychotherapeutin.
Gedichte für Simin
Zuerst hat Rinner-Blum Deutsch und Englisch studiert. Nach dem Magister-Abschluss unterrichtete sie fünf Jahre an diversen Mittelschulen. Nachdem sie mit dem Schulsystem nicht zurechtkam, beendete sie ihre Lehrtätigkeit und ließ sich zur Gestalt-Psychotherapeutin ausbilden. In diesem Beruf sowie als Energietherapeutin arbeitete sie 30 Jahre, bis zur Pensionierung 2017. „In diesem Zeitraum ist das Schreiben in den Hintergrund gerückt“, erinnert sie sich.
2016 starb ihre Tochter Simin, ihr einziges Kind, mit 38 Jahren. „Nach Simins Tod überkam mich wieder der Drang zu schreiben – mit der Sprache Bilder zu malen.“ Ihrer Tochter hat Rinner-Blum den Gedichtband „in tausend splittern meine himmel“ gewidmet. Und jetzt, nachdem das Schundheft Nr. 41 herausgekommen ist, arbeitet sie an einem weiteren Erzählband.
Ihre Schreibstube ist ihre Wohnung in Dornbirn, die sie sich mit Munchkin-Kater Jayjay teilt. Neben dem literarischen Schaffen singt Jutta Rinner-Blum im Rheintaler Bach-Chor und hält sich fit mit Yoga, Tennis, Jogging, Radfahren. Ihre Lieblingsbeschäftigung war und ist indes das Lesen: „Ein Leben ohne Bücher kann ich mir nicht vorstellen.“ HRJ
„Nach Simins Tod überkam mich wieder der Drang zu schreiben, mit der Sprache Bilder zu malen.“



Zur Person
Jutta Rinner-Blum
Geboren 1957
Wohnort Dornbirn
Berufe Schriftstellerin, Psychotherapeutin, Energietherapeutin
Familie geschieden, eine Tochter
(gestorben 2016)
Schundhefte www.schundheft.at