Ungebrochene Faszination für Gletscher

Menschen / 07.09.2022 • 17:56 Uhr
Auch Sohn Johannes begeistert sich für die Gletscher.
Auch Sohn Johannes begeistert sich für die Gletscher.

Gletschervermesser Günther Groß ist seit fünfzig Jahren im Einsatz.

THÜRINGERBERG Aufgewachsen in Hohenems war Günther Groß schon früh von der umliegenden Berglandschaft fasziniert. Im Rahmen seines Studiums für Geografie und Geschichte an der Universität Innsbruck entdeckte er seine Leidenschaft für Gletscher, die bis heute anhält. Als junger, bergbegeisterter Student war er in den 1970er Jahren als Träger und Arbeiter auf den Gletschern des inneren Ötztals gefragt. „Meine Tätigkeit wurde damals von den Gletscher­forschern meist als solche von Gletscherknechten gleichgesetzt“, erinnert er sich humorvoll. Nach seinem Studienabschluss war er für das Institut der physischen Geografie an der Universität Innsbruck tätig, das sich zu dieser Zeit vor allem mit der Hochgebirgsforschung und Fragen des Klimas, der Gletscher und Landformung befasste. Als Mitarbeiter des Instituts erstellte er das erste österreichische Gletscherinventar: „Es wurden von den damals 925 Gletschern viele Parameter aus Messluftbildern berechnet und aufgenommen. Viele Gletscher wurden besucht, dokumentiert und fotografiert. Im gleichen Jahr übernahm ich von Institutskollegen im Auftrag des Österreichischen Alpenvereins die Gletschermessungen in den Stubaier Alpen und in der Silvrettagruppe.“

Mit Wehmut

Das sich stetig verändernde, klimagesteuerte sensible Landschaftselement des Hochgebirges hatte ihn schon als junger Bergsteiger in den Bann gezogen. Die Begeisterung wuchs für die weißen Riesen der Alpenwelt durch die Teilnahme an gletscherkundlichen Arbeiten und Projekten stetig. „Auch mein Einsatz gegen Eingriffe und Erschließungen von Gletschergebieten spielte eine gewisse Rolle. Heute verfolge ich mit Wehmut den raschen Zerfall der vor wenigen Jahrzehnten noch gesunden Gletscherwelt“, betont der Gletscherexperte. Seiner Meinung nach könne unter normalen Bedingungen das Abschmelzen der Gletscher nicht von heute auf morgen gestoppt werden. „Alle Alpengletscher sind für die jetzigen klimatischen Bedingungen viel zu groß. Sie sind in den vergangenen warmen Jahren mit dem Abschmelzen nicht nachgekommen. Andere tiefer gelegene Eisfelder sind bereits zu Toteiskörpern geworden und geraten meist unter Schutt, wo sie langsam völlig abschmelzen.“ Dem Verschwinden beziehungsweise Abschmelzen auf kleinere Gletschergrößen könne kein Einhalt geboten werden. „Die Umsetzung ressourcenschonenderer Lebensweisen und der stärkere Verzicht auf fossile Rohstoffe kommt für die Gletscher zu spät, scheint jedoch für den Erhalt der Lebensräume dieser Erde dringend notwendig“, so seine Prognose für die Zukunft.

Neue Techniken

Seit nunmehr fünfzig Jahren ist Günther Groß als Gletschervermesser im Einsatz, die Messmethoden haben sich in dieser Zeit kaum verändert: „Bei den Längenänderungsmessungen, die durch den Alpenverein seit über 130 Jahren organisiert werden, geht es um mehrere Entfernungsmessungen von im Gletschervorfeld markierten Fixpunkten in einem gewissen die Fließrichtung des Gletschers berücksichtigenden Richtungswinkel zum Eisrand der Gletscherzunge.“ Dafür genüge ein Maßband oder ein Entfernungsmessgerät. Manche Messtrupps kartieren mit GPS-Geräten die jährlichen Veränderungen der Eisrandlage und berechnen daraus eine mittlere Längenänderung, testweise wurden bereits Drohnen verwendet. Neben den direkten Vermessungen ist die fotografische und dokumentarische Erfassung der Veränderungen im letzten Monat des Gletscherhaushaltsjahres im September ein wichtiger Bestandteil der Arbeit.

Familiäre Verbundenheit

Seine berufliche und private Faszination für die Gletscherwelt habe sich auch auf seine Familie übertragen. So wird Günther Groß von seiner Frau Luise oft begleitet. Insbesondere sein jüngster Sohn Johannes teile seine Begeisterung für Gletscher. „Johannes hat schon seit einigen Jahren bei Vermessungsgängen mitgearbeitet und wird in absehbarer Zeit die Messungen an sechs Gletschern der Silvrettagruppe zur Gänze übernehmen.“ BI

„Alle Alpengletscher sind für die jetzigen klimatischen Bedingungen viel zu groß.“

Seine Frau Luise begleitet Günther Groß öfter bei den Messungen. BI
Seine Frau Luise begleitet Günther Groß öfter bei den Messungen. BI
Vermessung des Vermuntgletschers.
Vermessung des Vermuntgletschers.
Günther Groß in seinem Arbeitszimmer, das ihm auch als Archiv dient.
Günther Groß in seinem Arbeitszimmer, das ihm auch als Archiv dient.

Zur Person

GÜNTHER GROSS

Geboren 25. November 1949

Familie vereiratet mit Luise, fünf Kinder, neun Enkel

Wohnort Thüringerberg

Beruflicher Werdegang Univ.-Assistent am Insitut für Geografie der Universität Innsbruck, Lehrer am Bundesgymnasium Bludenz, seit 2012 Pensionist

Hobbys Familienmensch, Naturliebhaber, Landwirtschaft, Weitwandern

Lebensmotto Zit bliebt nit schto – für Veränderungen aufgeschlossen bleiben!