Vorarlberg ist weiblich: Demokratie braucht Kontrolle

Menschen / 08.03.2023 • 16:56 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Vorarlberg ist weiblich: Demokratie braucht Kontrolle

Dr. Brigitte Eggler-Bargehr ist seit dem 1. April 2015 Direktorin des Landes-Rechnungshof.

Fachlich hoch kompetent und gleichzeitig menschlich stark – Dr.in Brigitte Eggler-Bargehr, Direktorin des Rechnungshofs Vorarlberg, baut auf ein starkes Team, einen ­wertschätzenden Umgang sowie intensiven Meinungsaustauch. Ein Interview über Geld, Gelassenheit und Transparenz.

Was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an den Landes-Rechnungshof Vorarlberg denken?

Das sind unsere gesellschaftliche Verantwortung, der Austausch mit den geprüften Einrichtungen und das Team im Landes-Rechnungshof: Stets präsent ist mir die gesellschaftliche Verantwortung, für die der Landes-Rechnungshof steht. Durch unsere Kontrollfunktion stärken wir das Vertrauen in Verwaltung und Politik – eine besonders wichtige Aufgabe in der heutigen Zeit. Denn Demokratie braucht Kontrolle. Prägend für unsere Tätigkeit ist auch der Austausch mit Verantwortlichen der geprüften Stellen, bei denen es um Weiterentwicklung aus unterschiedlichen Blickwinkeln geht, oft verbunden mit einem intensiven Meinungsaustausch. Zu diesem Bild gehört auch das fachlich hoch kompetente und menschlich starke Team im ­Landes-Rechnungshof Vorarlberg, auf das ich stolz und für das ich dankbar bin.

Wenn Sie sich zur Prüfung ankündigen: Spürt man den Respekt und die Anspannung, der Landes-Rechnungshof könnte etwas Unangenehmes aufdecken?

 Die Reaktionen auf eine Prüfungsankündigung sind sehr unterschiedlich. Sie reichen von Gelassenheit, weil vermeintlich eh alles passt, über Offenheit für Verbesserungen bis zum vorauseilenden Eingeständnis, dass die Prüferinnen und Prüfer evtl. Mängel vorfinden werden. Eine gewisse Anspannung ist oft schon deswegen dabei, weil viele eine Rechnungshofprüfung zum ersten Mal mitmachen.

Würden Sie sich selbst als streng bezeichnen und sehen Sie immer ganz nüchtern die Zahlen und Fakten?

Mein Motto ist: hart in der Sache aber fair im Umgang. Das bedeutet, dass mir ein wertschätzender Umgang wichtig ist, auch dann, wenn es unterschiedliche Sichtweisen gibt. Der objektive Sachverhalt, also überprüfbare Daten und Fakten, sind die Basis für Bewertungen durch den Landes-Rechnungshof. Dabei dürfen allerdings die Rahmenbedingungen, in dem Dinge geschehen sind, nicht außer Acht gelassen werden.

Der Rechnungshof wird gelegentlich auch als „Ritter ohne Schwert“ bezeichnet, weil er keine Sanktionen verhängen kann. Er kann Veränderungen nur anmahnen bzw. Empfehlungen abgeben. Wären Sanktionsmöglichkeiten aus Ihrer Sicht ein wünschenswertes „Schwert der Gerechtigkeit“?

Rechnungshöfe sind keine Gerichte, sie urteilen auch nicht über Gerechtigkeit. Daher halte ich nichts von Sanktionen oder Schwertern. Wir sehen uns als Berater und nicht als Richter. Unsere Empfehlungen orientieren sich daran, das Verwaltungshandeln sparsamer, wirtschaftlicher und zweckmäßiger auszurichten. Das geht am besten durchs Überzeugen.

Welche Instrumente wären notwendig? Wo sehen Sie Fortschritte bzw. ändert sich durch die Berichte des Rechnungshofs etwas?

Eine Kultur der Offenheit für Neues sowie die Einstellung, dass Fehler wichtige Lernerfahrungen sind, bilden einen guten Nährboden für die Wirksamkeit der Empfehlungen. Darüber hinaus hilft, dass alle unsere Berichte veröffentlicht werden müssen und in Folge oft mediale Aufmerksamkeit erlangen. Das wichtigste Instrument zur Messung der Wirksamkeit ist für uns jedoch ein effektives Monitoring und Follow-up-System. Denn nur regelmäßige Kontrolle zeigt Wirkung. Das gilt auch präventiv, nämlich das Wissen, dass man jederzeit geprüft werden kann.

Ihre Empfehlungen kosten teilweise viel Geld, weil sie mehr Personal und eine bessere Technik erfordern. Ist das in Krisenzeiten zu rechtfertigen?

Im Vordergrund steht in der Regel die Wirtschaftlichkeit. Es geht aber auch um eine zukunftsfähige Verwaltung.  Das kann Investitionen in Personal oder Technik – z. B. Stichwort Digitalisierung – erfordern, um damit mittel- bis langfristig effizienter zu arbeiten und Kosten zu sparen. In der öffentlichen Verwaltung kommt teils auch hinzu, dass Investments notwendig sind, um mit Wirtschaft und Gesellschaft mithalten zu können. Andernfalls gäbe es beispielsweise keine elektronischen Akten, digitale Förderanträge oder Online-Abfragen.

Was war die kurioseste Steuerverschwendung Ihrer Karriere bzw. können Sie sich an eine besondere Prüfung erinnern?

Jede Prüfung ist einzigartig und besonders, egal ob im Bereich des Landes oder der Gemeinden. Eine Prüfung, die uns alle in der Dimension überraschte und bei der Steuermittel durch Spekulation leichtfertig aufs Spiel gesetzt wurden, war die Gemeinde Fußach. Die Prüfung zu Beratungsleistungen im Landesbereich war durch ihre Breite und Vielfalt besonders.

Wie bewerten Sie die neu erhaltene Prüfkompetenz zur Parteien­finanzierung?

Vorarlberg betritt mit dieser Aufgabe für den Landes-Rechnungshof österreichweit Neuland. Die Kompetenzen sind umfassend und vergleichsweise weitergehender als jene des Rechnungshofs Österreich. Die Parteien unterliegen vergleichsweise strengen Transparenzanforderungen.

Fiktiv angenommen, Sie könnten sich europaweit einen Rechnungshof auswählen, wo Sie Direktorin sein könnten – wo wäre der: Berlin, Rom, Paris oder europäischer Rechnungshof?

Das sind, zugegeben, interessante Städte. Aber ich ziehe es vor, weiter hier im Land zu wirken und diese Orte lieber privat zu besuchen und zu genießen. Die Lebensqualität in Vorarlberg, das Team im Landes-Rechnungshof und die Vielfalt an herausfordernden Aufgaben machen meine Antwort leicht.

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