Vom Talent zum Vorbild

Menschen / 31.05.2023 • 18:00 Uhr
Historischer Jubel: Die Kickerinnen der SPG Altach/Vorderland bezwangen die seit fünf Jahren ungeschlagenen ­St. Pöltnerinnen. SCRA, Selina Meier (2), Müller (2)
Historischer Jubel: Die Kickerinnen der SPG Altach/Vorderland bezwangen die seit fünf Jahren ungeschlagenen ­
St. Pöltnerinnen. SCRA, Selina Meier (2), Müller (2)

Physiotherapeutin Verena Müller (27) ist Kapitänin der SPG Altach/Vorderland.

Altach Noch vor einigen Jahren hätte Verena Müller nicht einmal im Traum daran gedacht, dass sie eines Tages einen Teil Sportgeschichte mitschreiben würde. Und auch nicht, einen Umkleidekabinenplatz in einem Fußballprofi-Campus zu haben. „Irgendwie habe ich das alles noch gar nicht realisiert“, sagt die Kapitänin der SPG Altach/Vorderland und lässt ihren Blick über die Sportaufnahmen an der Wand des Campus-Besprechungszimmers gleiten, welche sie und ihre Mitspielerinnen zeigen.

Vor Kurzem haben die Vorarlberger Bundesliga-Kickerinnen die Superserie des Serienmeisters St. Pölten beendet. Die Niederösterreicherinnen waren bis dahin auf nationaler Ebene fünf Jahre ungeschlagen. „Mir geht das Herz auf, wenn ich an unseren Erfolg denke. Das ist pure Freude“, versucht Müller ihre Emotionen hinsichtlich des historischen Siegs in Worte zu fassen.

Ein Kampf auch abseits des Rasens

Auf dem Rasen ging es für sie sportlich vom ersten Schnuppertraining mit vier Jahren in Übersaxen, Meistertiteln, dem Bundesliga-Aufstieg und Einzug ins ÖFB-Frauen-Cupfinale in den vergangenen Jahren stetig aufwärts. Abseits des Grüns hatte sie allerdings lange zu kämpfen. Nicht nur als Frau am Fußballplatz, sondern auch damit, dass Menschen oft über ihr Äußeres definiert werden.

Müller leidet nämlich an kreisrundem Haarausfall, einer Autoimmunerkrankung, die bis zum kompletten Haarausfall führen kann. „Mit 16 Jahren habe ich das erstmals richtig wahrgenommen. Ich hatte aber lange Haare und konnte die Stelle gut verdecken“, erinnert sie sich und fügt hinzu: „Mit 20 habe ich dann plötzlich wieder eine kahle Stelle entdeckt. Diese hat sich innerhalb kürzester Zeit vergrößert.“

Wenig später entdeckte sie morgens Haarbüschel auf dem Kopfkissen und nach dem Föhnen am Boden. Erst versuchte sie, die handflächengroßen kahlen Stellen noch mit zusammengebundenen Haaren zu verdecken. Als dies nicht mehr ging, entschied sie sich schließlich, die Haare abzurasieren. „Im ersten Moment war es ein befreiendes Gefühl, die Stellen nicht mehr verstecken zu müssen“, erzählt sie und ergänzt: „Ich tat mir anfangs aber schwer, dazu zu stehen.“ Gedanken machte sie sich vor allem auch, ihre Glatze vor ihren Kolleginnen und Kollegen in der Physiotherapeuten-Ausbildung und ihren Mannschaftskolleginnen zu entblößen.

Mit Unterstützung von Familie und Freunden traute sie sich aber bald, den Schritt zu wagen. „Es gab viele positive, aber auch negative Reaktionen und schräge Blicke“, erzählt Müller rückblickend. Den Gedanken, eine Perücke zu tragen, hatte sie schnell verworfen. „Es hat sich einfach falsch angefühlt, im Alltag eine zu tragen und beim Fußballspiel nicht.“

Verschiedene Therapien führten nicht zum erhofften Erfolg und sie hatte mit Rückschlägen zu kämpfen. Früher sei es ihr sehr wichtig gewesen, was andere denken. Inzwischen ist es der jungen Frau gelungen, die Situation zu akzeptieren. „Natürlich habe ich den Wunsch, wieder Haare zu kriegen, aber ich kann das nicht beeinflussen.“

Ende der herausragenden Karriere

Um Kraft zu tanken, geht Müller gerne wandern, Ski fahren oder auf Skitouren. „In der Höhe und in der Natur kann ich voll abschalten. Leider habe ich halt wenig Zeit“, erzählt die 27-Jährige. Neben ihrem Job als Physiotherapeutin steht viermal die Woche abends noch Fußballtraining an. Bei Auswärtsspielen war sie oft auch das ganze Wochenende unterwegs. „Das ist natürlich schon intensiv und man wird nicht jünger.“ Am Sonntag wird sie ihr letztes Bundesligaspiel bestreiten. Was die Situation im Frauenfußball angeht, so freut sich die Kapitänin über steigende Zuschauerzahlen und zunehmende mediale Präsenz. Allerdings müsse die Sache mit der Entlohnung noch richtig vorangetrieben werden, ist sie sich sicher. VN-MEF

„Mir geht das Herz auf, wenn ich an unseren Erfolg denke. Das ist pure Freude.“

Verena Müllers Herz schlägt seit über 20 Jahren für den Fußballsport.
Verena Müllers Herz schlägt seit über
20 Jahren für den Fußballsport.
Um abzuschalten, begibt sich die 26-Jährige gerne in die Natur und die Höhe. Müller
Um abzuschalten, begibt sich die 26-Jährige gerne in die Natur und die Höhe. Müller
Skitouren zählen ebenso zu den Hobbys der Sulnerin.
Skitouren zählen ebenso zu den Hobbys der Sulnerin.

Zur Person

Verena Müller

geboren 25. 10. 1995

Wohnort Sulz

Beruf Physiotherapeutin

Verein FFC Vorderland

Position Innenverteidigerin

Lebensmotto Lachen hilft immer.

Am Sonntag schließt Altach/Vorderland gegen Austria Wien (11 Uhr) die Saison ab. Um 10.50 Uhr wird Verena Müller verabschiedet.