Eine Schauspielerin ohne Grenzen

Katharina Grabher thematisiert auf der Bühne soziale Ungerechtigkeit und andere Schieflagen.
FRASTANZ, WIEN Der Kampf gegen das Vergessen und gegen soziale Ungerechtigkeiten bildet einen wichtigen Aspekt sowohl im privaten als auch im beruflichen Leben der Schauspielerin Katharina Grabher. Sie ist eine zierliche, aber sehr ausdrucksstarke Person, die klar benennt, was für sie Sache ist. Nach der Matura am damaligen MuPäd in Feldkirch entschied sie sich – damals schon aus einem Bewusstsein für gesellschaftspolitische Missstände – für ein Studium an der Sozialakademie, welches sie der Liebe wegen in Wien beendete. Dort arbeitete die junge Frastanzerin in einem Jugendzentrum. Um sich während des Studiums etwas Geld dazuzuverdienen, stand sie den Malern an der Akademie der bildenden Künste immer wieder Modell. Dadurch lernte sie den Wiener Andreas Kosek, einen Studenten der Theaterwissenschaften, und in weiterer Folge dessen ebenfalls theaterbegeisterten Freund Mark Német kennen. Diese Begegnungen hatten die Gründung des teatro caprile vor dreißig Jahren zur Folge.
Internationale Anerkennung
Die Frastanzerin blieb Vorarlberg immer verbunden. So kam es nicht von ungefähr, dass die Vorpremiere des ersten Stücks „Der letzte Stich“ des teatro caprile, welches auf einem Text von Woody Allen basierte, am 20. Mai 1993 in Düns stattfand. Zwei Tage später erfolgte die Premiere in Schlins. Den Mitgliedern des teatro caprile ging es von Anfang an darum, Menschen zu erreichen, die nicht so leicht ins Theater kommen. Dafür nutzten sie zu Beginn vor allem die Ausdrucksmöglichkeiten des Absurden Theaters und beschäftigten sich mit den Werken osteuropäischer Autoren. Sehr rasch trafen auch Anfragen aus dem Ausland ein. Dies war mit ein Grund, ihre Stücke „koffertauglich“ zu gestalten, um dadurch in ihrer Reisefreiheit nicht beeinträchtigt zu sein. „Die meisten unserer Inszenierungen kommen mit wenigen Kostümen und Requisiten aus“, erklärt Katharina Grabher. Frei von Kisten oder gar Containern mit Bühnenelementen konnten auf recht einfache Weise Gastspiele unter anderem in Brüssel und Czernowitz, Teheran und Tiflis, Ulm und Zagreb durchführt werden. Eine weitere Besonderheit des teatro caprile ist es, die jeweiligen Räumlichkeiten in das Spiel miteinzubeziehen: „Uns sieht man selten in herkömmlichen Veranstaltungsräumen. Säulen, Stufen oder andere Gegebenheiten werden von uns einfach in das jeweilige Stück integriert.“
Körperlicher Einsatz
Grabher und ihre Mitstreiter erlangten nicht zuletzt über die Aufführung „Auf der Flucht“ in St. Gallenkirch über die Landesgrenzen hinaus Aufmerksamkeit. Das Stück wurde für eine einmalige Aufführung konzipiert, es wurde jedoch von den Besuchern mit so großer Begeisterung angenommen, dass es im vergangenen Sommer bereits zum zehnten Mal in Folge mit anhaltendem Erfolg gezeigt wurde. Der Inhalt dieser Aufführung basiert auf historischen Tatsachen und beleuchtet die Zeit während des Nationalsozialismus aus unterschiedlichen Perspektiven. Es ist für die Schauspieler auch eine körperlich anstrengende Produktion, bei der im Laufschritt 500 Höhenmeter zurückgelegt und an einzelnen Stationen jeweils markante Szenen gespielt werden.
Authentizität
Ein solches Zusammenspiel von Natur und Theater – und dies bei jedem Wetter – ist für die 64-Jährige eine Selbstverständlichkeit: „Hier kamen tatsächlich Flüchtende durch. Durch die Wahl dieser Örtlichkeiten für das Stück bekommt dieses viel mehr Authentizität, die Zuschauer reagieren teilweise mit Staunen, aber auch Betroffenheit.“ In ihrer künstlerischen Herangehensweise ist die sympathische Schauspielerin ebenfalls um Authentizität bemüht: „Ich bin keine Anhängerin von theatralischen Auftritten und Schockeffekten nur um der Wirkung willen.“
Es sind subtile Gesten, wie sie vor der Filmkamera zum Tragen kommen, die eine Handlung verdeutlichen. Das teatro caprile möchte so nah wie möglich am Publikum sein, es wird immer wieder in die Handlung einbezogen. Auch in der aktuellen Produktion „Fabrikler“, die am 12. Oktober um 19 Uhr in der Villa Falkenhorst Premiere hat, geht es wieder um einen Perspektivenwechsel: „Die Erfolgsgeschichte der Vorarlberger Textilindustrie wird meistens aus der Sicht der Industriellen aufgezeigt. Aber es gibt eben auch die Sicht von ‚unten‘, die Lebens- und Arbeitswirklichkeit der Fabrikarbeiter, die zum Reichtum dieser Unternehmer geführt haben. Diese wollen wir anhand von szenischen Darstellungen vorstellen.“ BI
„Ich bin keine Anhängerin von theatralischen Auftritten nur um der Wirkung willen.“



Zur Person
KATHARINA GRABHER
Geboren 16. Juni 1959
Familie in einer Beziehung
Wohnort Frastanz, Wien
Beruflicher Werdegang
Akademie für Sozialarbeit, Studium
der Theaterwissenschaft und Schauspiel
Hobbys Wein und Skifahren
Lebensmotto: „Genauigkeit kommt immer der Schönheit zugute und richtiges Denken dem zarten Gefühl.“
(Th. W. Adorno)