Sterbende auf ihrem letzten Weg begleiten

Krankenschwester Ursula Hofmann (56) arbeitet seit 20 Jahren auf der Palliativstation am LKH Hohenems.
Rankweil, Hohenems Auf Wunsch von Ursula Hofmann (56) findet das Interview in der Kapelle des Krankenhauses Hohenems statt. Die Palliativschwester ist tiefgläubig. „Schon als Kind hatte ich ein großes Gottvertrauen. Ich fühlte, dass Gott barmherzig und gütig ist und mich liebt.“
Als Jugendliche suchte sie die Kapelle des Karmeliterinnenklosters in Rankweil auf, um mit Gott zu sprechen. „Herr, ich komme zu dir, weil ich deine Hilfe brauche. Ich weiß nicht, welchen Weg ich beruflich einschlagen soll. Herr, sag du es mir. Ich bleibe so lange, bis du mir ein Zeichen gibst.“ Der Nachmittag verging. Aber noch bevor die Dunkelheit hereinbrach, wusste Ursula, was Gott für sie wollte. „Auf einmal war mir klar, dass ich Krankenschwester werde.“ An diesem Nachmittag erinnerte sie sich auch an ein Schlüsselerlebnis aus ihrer Kindheit. „Ich sah, wie meine Mutter meinem pflegebedürftigen Großvater in seinen letzten Lebensstunden eine Zigarette reichte. Das berührte mich tief.“
Zurück in den Beruf
Nach der Ausbildung arbeitete die Rankweilerin auf der Abteilung Frauenheilkunde und Geburtshilfe am LKH Feldkirch. Die Arbeit gefiel ihr. „Ich konnte schwerkranken Menschen helfen.“ Nach drei Jahren verabschiedete sie sich in die Babypause. Zehn Jahre widmete sich die dreifache Mutter ausschließlich der Kindererziehung. Dann wurde in ihr der Wunsch wach, ins Berufsleben zurückzukehren.
Zunächst war sie einige Jahre lang in Altersheimen tätig. „Als ich hörte, dass im Spital in Hohenems eine Palliativstation aufgebaut wird, habe ich mich beworben. Denn mit dem Hospizgedanken, schwer- und todkranken Menschen Geborgenheit und Sicherheit zu vermitteln, kann ich mich voll identifizieren.“ Sie fühlte sich dieser Arbeit gewachsen, „weil ich früh lernen durfte, dass Sterben zum Leben dazugehört“. Ursula hatte zu der Zeit schon mehrere enge Bezugspersonen verloren: ihre Großeltern und ihre Mutter, die mit 50 Jahren an Krebs starb.
Im Jahr 2003 wurde die Palliativstation eröffnet. Dem Team der ersten Stunde gehörte auch Ursula Hofmann an. 20 Jahre später zählt sie zusammen mit Dr. Otto Gehmacher, dem ärztlichen Leiter, zu den Urgesteinen der Palliativstation. Die Palliativschwester begleitete schon viele Patienten bis zum Tod. „Meine Aufgabe ist es, sie auf ihrem Weg zu begleiten, ihnen die Hand zu reichen und die Angst zu nehmen.“ Nicht wenige Menschen sind in ihrem Beisein gestorben. „Für mich ist es eine große Ehre, wenn ich diese heiligen und intimen Momente miterleben darf. Es zeugt von großem Vertrauen, wenn mich der Sterbende dabei sein lässt.“ Manche Menschen würden leicht sterben, andere würden kämpfen, weil sie noch leben wollten. „Im Grunde aber sind im Sterben alle Menschen gleich. Es geht allen ähnlich, die Sorgen und Nöte sind die gleichen. Jeder Mensch hat Phasen der Angst beim Sterben.“ Viele hätten nach ihrem Weggang ein Lächeln im Gesicht. Das deute auf ein wunderbares Jenseits hin, meint Ursula. Die Diplom-Krankenschwester ist überzeugt, dass nur der Leib stirbt. „Das, was den Menschen ausmacht, die Seele, existiert in einer anderen Form weiter.“ Ursula kommt ins Philosophieren: „Wenn wir unsere Aufgabe auf Erden erfüllt haben, gehen wir dahin zurück, wo wir hergekommen sind, zur Quelle, zu Gott.“ Die gläubige Frau weiter: „Wir sind beseelte Wesen, die im Grunde gut sind. Jeder Mensch trägt einen Funken Gott in sich.“
Der Beruf erfüllt sie
Der Beruf ist ihr viel mehr als nur Arbeit. „Er erfüllt mich, weil er so sinnhaft ist. Ich darf Menschen auf ihrem letzten Weg begleiten.“ Die Arbeit hat Ursula wach gemacht für die wesentlichen Dinge des Lebens. Das seien nicht Geld, Macht oder Ruhm, sondern Liebe, Vertrauen, Zufriedenheit und Dankbarkeit. „Der Mensch wird am Du zum Ich. Er sollte begreifen, dass wir alle Teile des großen Ganzen sind. Jeder ist mit jedem verbunden, auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen.“ Der Beruf lehrte sie viel. „Das Leben ist ein Geschenk. Man muss für jeden Tag dankbar sein. Nichts ist selbstverständlich, auch nicht, dass man sich um sich selbst kümmern kann. Es gibt hunderttausend Gründe, um zufrieden sein zu können.“
Trotz der Schwere, die der Beruf an sich hat, findet die Palliativschwester immer wieder in die Leichtigkeit des Seins. Dafür sorgen ihre fünf kleinen Enkel. „Sie zeigen mir auf spielerische Weise die unbeschwerten Seiten des Daseins.“ Ursula hofft, dass sie noch viele Jahre für ihre Lieben da sein kann und noch lange lebt. Wenn der Tod an die Tür klopft, möchte sie in Würde sterben, in einem geschützten und geborgenen Rahmen, symptomkontrolliert und wohlvorbereitet. „Dann kann ich mich vertrauensvoll in die Hände Gottes begeben, der zeitlebens mein bester Freund gewesen ist.“ vn-kum
„Nichts ist selbstverständlich. Auch nicht, dass man sich um sich selbst kümmern kann.“



Zur Person
Ursula Hofmann
geboren 27. Dezember 1966
Wohnort Rankweil
Familie verheiratet, drei erwachsene Kinder, fünf Enkel
Hobbys Enkel, Imkern