Letzte Ausfahrt Shkodra

Wie Karl Mohr aus Wolfurt über den Umweg Graz zum Direktor der Auslandsschule in Albanien wurde.
Wolfurt, Shkodra „Ein bisschen Vorarlberger bin ich immer noch“, sagt Karl Mohr (63) und lacht. Vor mehr als 40 Jahren verschlug es den Wolfurter allerdings nach Graz, wo er Elektrotechnik studierte und in der Branche und der steirischen Landeshauptstadt hängenblieb. Im Alter von 44 wechselte Mohr von der Industrie an eine HTL, um dort als Lehrer zu arbeiten. Mit dem neuen Schuljahr hieß es für ihn dann: letzte Ausfahrt Shkodra. Karl Mohr leitet die österreichische Auslandsschule in der nordalbanischen Stadt. Als er das Angebot bekam, nahm er an und die Direktorenstelle, die ebenfalls ausgeschrieben war, gleich dazu. Es soll die letzte Veränderung in seiner beruflichen Laufbahn sein.
Viele Vorzüge
Der begeisterte Klarinettist hat sich für zwei Jahre verpflichtet. Eine Verlängerung, für die er bereits angefragt wurde, will Mohr nicht kategorisch ausschließen, aber: „Das klären wir dann in einem Jahr.“ Bereut hat er die Zusage für die erste Runde jedenfalls nicht. „Das Leben hier gefällt mir ausgesprochen gut. Die Leute sind sehr gastfreundlich. Es gibt ausgezeichnetes Essen, gutes Bier und an wirklich ghöriga Wi“, zählt Karl Mohr die Vorzüge seiner neuen Heimat auf.
Bodenständiges Studium
Ursprünglich liebäugelte der Wolfurter mit einem Musikstudium, nachdem er im Gymnasium in Musik maturiert hatte. „Da lag die Überlegung nahe“, flicht Karl Mohr ein. Im Nachhinein sei er jedoch froh gewesen, sich für die Elektrotechnik entschieden zu haben. „Kunst“, erklärt er seine Sicht, „ist etwas sehr Schönes, aber nur wenige von denen, die sich dort betätigen, können es so gut, dass sie wirklich erfolgreich damit sind.“ Elektrotechnik hingegen erwies sich als bodenständiger. Ein Kollege brachte den Vorarlberger schließlich auf die Idee, sich als HTL-Lehrer zu bewerben. Vor acht Jahren bekam er dann die Gelegenheit, die österreichische Auslandsschule in Albanien zu besuchen. Österreich betreibt insgesamt sieben Auslandsschulen, eine davon steht in Shkodra. Schon an der HTL in Graz, wo Karl Mohr für die Erwachsenenbildung zuständig war, unterrichtete er Leute aus Albanien und anderen Balkanstaaten, die im zweiten Bildungsweg eine technische Schule absolvieren wollten. „Da erwachte in mir der Wunsch, einmal in eines dieser Länder zu fahren“, erzählt Mohr.
Einkauf mit Wörterbuch
Er war von Anfang an begeistert, vor allem von den jungen Menschen in Albanien. „Ich habe das Gefühl, sie sind ziemlich weltoffen“, beschreibt er seine Einschätzung und ergänzt: „Ich bin sehr angetan.“ Die österreichische Auslandsschule braucht inzwischen keine Werbung mehr. Die Nachfrage übersteigt längst das Angebot. Aktuell werden 487 Schüler, davon 185 Mädchen, unterrichtet. Die Unterrichtssprache in der Oberstufe ist Deutsch. „Deshalb müssen die Schüler in der Unterstufe, wo hauptsächlich albanisch gesprochen wird, zusätzlich Deutsch lernen, wenn sie in die Oberstufe wollen“, erklärt der Schulleiter den Lauf der Dinge. Der Lehrplan entspricht jenem in Österreich, die Matura wird innerhalb der EU anerkannt. Selbst hat sich Karl Mohr noch nicht so recht mit der albanischen Sprache angefreundet. Ein paar Brocken könne er, zum Beispiel danke, guten Morgen, pfüate. Braucht er etwas Spezielles, schaut er vor dem Einkauf ins Wörterbuch. „Mit dieser Technik habe ich bisher noch alles bekommen“, merkt er schmunzelnd an. Nach der etwas stressigen Eingewöhnungsphase möchte er sich aber schon Zeit nehmen, um die Sprache zumindest ein bisschen zu lernen. Dafür hat er seinem Lieblingsinstrument, der Klarinette, neues Leben eingehaucht. Immerhin lange 35 Jahre ließ er sie links liegen.
In der HTL in Graz traf Karl Mohr dann auf Lehrer und Schüler, die zusammen musizierten. Da habe er sich gedacht, wieder anzufangen könnte ihm gefallen. Gesagt. Getan. Inzwischen möchte er die Musik nicht mehr missen. Am 24. November wird der Direktor mit ein paar Schülern zum albanischen Nationalfeiertag aufspielen. VN-MM
„Ich habe das Gefühl, die albanischen Jugendlichen sind sehr weltoffen.“




Zur Person
Karl Mohr
Alter 63
Werdegang Studium der Elektrotechnik, HTL-Lehrer in Graz, seit September 2023 Direktor der österreichischen Auslandsschule in Albanien
Familie Lebensgefährtin, Sohn Florian, der einige Jahre bei Handball Bregenz spielte, „da bin ich wieder etwas mehr Vorarlberger geworden“.
Hobbys Musizieren mit der Klarinette