Nach Rendezvous aus dem Zug gesprungen

Walter Fend erreichte viel durch seine Skilehrertätigkeit und seine gute Ausbildung.
Götzis Walter Fend (89), der im kleinen Bergdorf Klösterle aufwuchs und heute in Götzis lebt, brachte es weit im Leben. Aber dafür musste er hart arbeiten. „Meine Jugend war schwer, weil meine Großeltern eine Landwirtschaft betrieben und ich fest mithelfen musste. Mit 12 zum Beispiel musste ich um vier Uhr in der Früh aufstehen, um zu mähen. Auch an den Wochenenden hatte ich nicht frei. Da brauchte mich mein Vater für Holzarbeiten,“ erinnert sich der 89-Jährige. Auch die Lehrjahre waren keine Herrenjahre. Der Klostner absolvierte zunächst in Bludenz eine Lehre zum Zimmermann. „Oft musste ich bei Nässe und Kälte den ganzen Tag draußen arbeiten. Wenn ich etwas falsch machte oder etwas vergaß, bekam ich Watschen vom Lehrherrn.“
Nach der Lehre arbeitete er im Stollenbau. Eine Begegnung im Stollen mit einem Ferialpraktikanten war richtungsweisend. „Er sagte zu mir: Du wirst doch nicht dein Leben lang im Stollen arbeiten. Mach wie ich eine gute Ausbildung, absolviere die HTL in Innsbruck.” Walter fand die Idee großartig. Aber dem jungen Klostertaler war klar, dass er noch viel lernen musste, um in die zweite Klasse einsteigen zu können. Der Kollege lieh ihm seine Schulunterlagen und Walter paukte über den Sommer. „Ich habe dann die Aufnahmeprüfung tatsächlich geschafft.“
In den Ferien arbeitete der HTL-Schüler, der mit drei Jahren zum ersten Mal auf den Skiern stand und mit 17 Jahren Vereinsmeister wurde, in Zürs als Hilfsskilehrer. Dieser Job gefiel ihm, denn Skifahren war nicht nur sein liebstes Hobby, es brachte ihn auch mit Menschen aus aller Welt zusammen. Unter anderem lernte er Kilian Hennessy, den damaligen Chef der Cognacfirma Hennessy, und dessen Freundin kennen, welcher er das Skifahren beibrachte. „Mir kam zugute, dass ich Abendkurse in Französisch belegt hatte und deshalb gut mit beiden reden konnte.“ Seinen guten Sprachkenntnissen war es auch zu verdanken, dass er Prinzessin Irene, die Schwester der späteren Königin Beatrix von Holland, kennenlernen durfte. „Mein Chef wusste, dass ich zu denen gehörte, die gut Englisch konnten und gerne tanzten. Deshalb schickte er mich mit einigen Kollegen ins Hotel Zürserhof. Der Grund: Für eine Gruppe junger Holländerinnen wurden Tanzpartner für den Fünf-Uhr-Tee gesucht.“ Einer musste den Anfang machen. Es war Walter, der als Eisbrecher fungierte und den ersten Tanz wagte. „Ich forderte die Prinzessin zum Tanz auf. Sie freute sich über meinen Mut. Wir unterhielten uns großartig.“
Wagemutig, abenteuerlustig, neugierig und wissbegierig: All dies traf auf den (jungen) Walter zu. Einmal brachte ihn sein Wagemut in eine besonders gefährliche Situation. Nach einem Rendezvous in St. Anton fuhr der junge Skilehrer mit dem letzten Nachtzug nach Langen am Arlberg. „Der Schaffner teilte mir mit, dass der Zug bis nach Bludenz durchfahren und nicht in Langen halten würde. Ich fragte mich, was ich um 3 Uhr nachts in Bludenz tun sollte.“ Für Walter gab es deshalb nur eine Option. „Ich musste aus dem fahrenden Zug springen. Es hatte Tiefschnee und ich wusste, dass der Zug in Klösterle wegen der Lawinengefahr langsamer fahren würde.“ Als der Zug abbremste, machte er sich bereit für den riskantesten Sprung seines Lebens. „Mit klopfendem Herzen öffnete ich die Tür, warf meine Skier und Skistöcke hinaus und sprang hinterher. Die Landung war unsanft, aber meine Knochen waren heil geblieben.“
Nach der HTL-Matura studierte Walter in Wien Wirtschaft. Das Studium finanzierte er sich, indem er im Winter am Arlberg Skiunterricht gab. „Statt mit den Skischülern und Kollegen tanzen zu gehen, paukte ich an unzähligen Abenden den Lehrstoff für die Prüfungen.“ Die Wintersaison 1959/60 arbeitete er als Skilehrer in der Sierra Nevada in Kalifornien. Und wieder lernte er interessante und weltoffene Menschen kennen. „Nach der Skisaison reiste ich nach Mexiko City. An der dortigen Uni lernte ich einige Monate Wirtschaftsspanisch.“
Über seine Skilehrertätigkeit kam der frischgebackene Magister zu seinem ersten Job. Einer seiner Skischüler war der Chef der Firma Süd Chemie AG in München. Dieser wurde sein erster Arbeitgeber. „Für diese deutsche Firma baute ich einen Betrieb in Puebla in Mexiko auf.“ Die mexikanischen Vulkane heizten seine Abenteuerlust an. „Ich habe alle vier bestiegen. Der höchste, der Popocatepetl, ist 5465 Meter hoch. Es waren unvergessliche Bergtouren.“ Walters Berufsleben war bewegt. „Ich war mehr als 30 Jahre in der Industrie im In- und Ausland als Führungskraft tätig. Die letzten 13 Jahre vor meiner Pensionierung arbeitete ich als Geschäftsführer bei den Stadtwerken Feldkirch.“ Auch sein Privatleben war bewegt. „Ich hätte es lieber ruhiger gehabt.“ Walter, der einen Sohn hat und drei Enkel, war zweimal verheiratet, seit dem Jahr 2000 ist er mit Herta zusammen. „Wir unterstützen uns gegenseitig.“ Mit 60 Jahren ging der Klostertaler in Pension. Aber deswegen wurde sein Leben nicht viel beschaulicher. Denn Walter absolvierte im „Ruhestand“ noch das Studium der Logotherapie und Existenzanalyse und engagierte sich 20 Jahre lang für die Organisation „ALTER-nativ“, die sich die Weiterbildung von Senioren zum Ziel gesetzt hat. VN-kum
„Ich forderte die Prinzessin zum Tanz auf. Sie freute sich über meinen Mut.“



Zur Person
Walter Fend
geboren 19. Mai 1934 in Klösterle am Arlberg
Familie Sohn Alexander, drei Enkel, in Partnerschaft mit Herta
Hobbys Radfahren, Schwimmen
Walter Fend schrieb seine Autobiografie: Ein Klostertaler, der auszog, die Welt zu entdecken.