Durch und durch ein sozialer Mensch

Menschen / 10.01.2024 • 17:51 Uhr
Die Bürgermeisterin in ihrem Gemüsegarten mit ihren zwei Enkeln Julius und Konstantin.
Die Bürgermeisterin in ihrem Gemüsegarten mit ihren zwei Enkeln Julius und Konstantin.

Irmgard Hagspiel wäre eigentlich schon in Rente. Stattdessen leitet sie die Geschicke von Kennelbach.

Kennelbach Wenn Irmgard Hagspiel mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, winken ihr Menschen, an denen sie vorbeifährt, öfters freudig zu. Die Kennelbacher mögen ihre Bürgermeisterin. Irmgard Hagspiel steht seit September 2021 an der Spitze der 1866-Seelen-Gemeinde.

Die 65-Jährige ist keine gebürtige Kennelbacherin. Irmgard wuchs in Hohenweiler auf. Als Kind verbrachte sie viel Zeit in der Werkstatt ihres Vaters, der mit Leib und Seele Tischler war. „Wir hatten dort eine Kinderecke. Papa hat mich und meine vier Geschwister für kleinere Handlangerdienste eingespannt. Auch Mama arbeitete regelmäßig in der Werkstatt mit.“ Der Vater lebte Irmgard vor, dass Arbeit große Freude machen kann, die Mutter, dass man Schwächere unterstützt. „Mama hat sich sehr um ihre Verwandten gekümmert.“

Als Teenager entschied sich Irmgard für einen helfenden Beruf. Sie absolvierte die Schule für Sozialbetreuungsberufe in Bregenz und arbeitete danach einige Jahre als Familienhelferin. „Ich habe überforderte Mütter unterstützt, mit den Kindern gespielt und Mahlzeiten zubereitet.“ Durch ihre Arbeit sah sie, wie wichtig es ist, Familien zu unterstützen, die Hilfe benötigen.

Im Alter von 20 Jahren lernte sie auf einem Faschingsball Heinz Hagspiel aus Kennelbach kennen, ihren späteren Ehemann. Mit 23 wurde Irmgard zum ersten Mal Mutter. Zwei weitere Kinder folgten. Zunächst war sie mit der Mutterrolle ausgefüllt. „Aber das Soziale ließ mich nicht los.“ Die dreifache Mutter engagierte sich ehrenamtlich für den Elternverein und für einige ältere Menschen in ihrer Nachbarschaft. Außerdem war sie acht Jahre lang mit Freude für die Elternberatung tätig. „Ich habe zweimal im Monat Kinder abgewogen. Das war eine schöne Abwechslung zum Hausfrauendasein.“ Als ihre Kinder älter wurden, fühlte sie sich unterfordert. 1995 wurde Reinhard Hagspiel, ein Cousin ihres Mannes, Bürgermeister von Kennelbach. „Er brauchte jemanden für den Bereich Soziales und fragte mich, ob ich das nicht übernehmen möchte.“ Irmgard wagte den Schritt in die Politik und wurde Gemeindevertreterin.

Zwei Jahre später tat sich wieder etwas Richtungsweisendes in ihrem Leben. „Die Schule für Sozialbetreuungsberufe, die ich selbst besucht hatte, suchte eine hauswirtschaftliche Verwalterin bzw. eine Leiterin des Wohnheims. Ich bewarb mich und wurde genommen.“ 22 Jahre lang füllte Irmgard diese Stelle mit Begeisterung aus. Die Arbeit mit den Jugendlichen gefiel ihr. „Ich habe sie betreut und bekocht. Dafür waren sie sehr dankbar.“ Die jungen Menschen kamen mit ihren Plänen, Vorstellungen, Sorgen und Nöten zu Irmgard. „Ich fand es schön, dass sie mir alles anvertrauten. Selbst bei Liebeskummer schütteten sie ihr Herz bei mir aus.“ In diesen Jahren lernte sie viel in Sachen zwischenmenschliche Kommunikation. „Zuhören, miteinander reden und zusammen Lösungen suchen ist ganz wichtig – das merke ich auch jetzt als Bürgermeisterin.“ 2019 verabschiedete sich Irmgard in die Pension. Aber die Politik ließ sie nicht los.

Inzwischen hatte die Obfrau des Sozialausschusses, die Sozialprojekte wie das Seniorenstübli mitinitiiert hatte, das Amt der Vizebürgermeisterin übernommen. Als Peter Halder im Mai 2021 als Gemeindechef zurücktrat, entzog sich Irmgard nicht ihrer Verantwortung und übte interimistisch das Bürgermeisteramt aus. Bei der Wahl im September 2021 wurde sie dann vom Volk mit großer Zustimmung zu Halders Nachfolgerin gewählt. Aber viele fragten sie, warum sie sich diesen Job noch antut. Denen antwortete sie: „Ich tue mir nichts an. Es ist eine schöne, keine undankbare Arbeit. Man kommt mit Menschen zusammen und erfährt viel Positives.“ Irmgard liegen das Dorf und seine Bewohner am Herzen. „Ich wollte nicht, dass die Arbeit, die ich in den vergangenen 25 Jahren gemacht habe, den Bach hinuntergeht. Mir war wichtig, dass Kennelbach weiterhin eine soziale Gemeinde bleibt“, erklärt sie, warum sie das Amt annahm. Mit Irmgard und dem guten Miteinander von Gemeindevorstand und -vertretung kehrte im Dorf Ruhe ein. „Die Bürger sind zufrieden. Sie merken, dass es in der Gemeinde gut läuft, sei es im Sozialen oder im Wirtschaftlichen.“ Im nächsten Jahr geht ihre Legislaturperiode zu Ende. Die 65-Jährige wird nicht mehr zur Wahl antreten. Denn: „Ab 60 merkt man jedes Jahr. Als Bürgermeister ist man sehr eingespannt, 10-Stunden-Tage sind die Regel.“ Nach der Amtsübergabe wird Irmgard als erstes Urlaub machen. „Und dann möchte ich richtig Oma sein“, sagt die dreifache Großmutter. VN-kum

„Es ist eine schöne, keine undankbare Aufgabe. Ich komme mit Menschen zusammen.“

Die Gemeindechefin fährt immer mit dem Fahrrad zur Arbeit.
Die Gemeindechefin fährt immer mit dem Fahrrad zur Arbeit.
Die Bürgermeisterin an ihrem Arbeitsplatz in der Villa Grünau.
Die Bürgermeisterin an ihrem Arbeitsplatz in der Villa Grünau.
Irmgard Hagspiel mit ihrem Mann Heinz und den Enkeln Julius und Valeria.
Irmgard Hagspiel mit ihrem Mann Heinz und den Enkeln Julius und Valeria.

Zur Person

Irmgard Hagspiel

geboren 31. Juli 1958 in Bregenz

Wohnort Kennelbach

Familie verheiratet, drei Kinder, drei Enkel

Hobbys der große Gemüsegarten, Schwimmen