Eine junge Frau auf dem Bau

Leonie Reinprecht (20) hat die Zimmerer-Lehre mit Auszeichnung abgeschlossen und räumt mit Vorurteilen auf.
Schwarzenberg Ein Tag ohne Holzspieß im Finger ist für Leonie Reinprecht kein guter Tag. “Also wehleidig sollte man bei dieser Arbeit nicht sein”, sagt die 20-Jährige und lacht. Schon in ihrer Kindheit hat sie sich statt mit Fernseher und Computer lieber mit Holz und auf den Baustellen ihres Papas Gernot beschäftigt. Inzwischen steht sie in Arbeitshosen und mit Kapuzenpulli zwischen großen Maschinen und Konstruktionsplänen im Familienbetrieb und darf sich Zimmerergesellin nennen. Die Lehre hat sie im Vorjahr mit Auszeichnung abgeschlossen und auch die Prüfung für Bautechnisches Zeichnen geschafft.

Vor Kurzem wurde Leonie Reinprecht als erste Frau in der örtlichen Zunft aufgenommen. Als weibliche Handwerkerin zählt sie nach wie vor eher zu den Ausnahmeerscheinungen. Vor allem, wenn es darum geht, Häuser aufzurichten, Dachstühle zu konstruieren oder Fassaden zu verkleiden. “Aber ich bin hierzulande bei Weitem nicht die einzige”, betont die Handwerkerin und weiß gleich von mehreren Kolleginnen im Holzbau zu berichten.

Die junge Schwarzenbergerin ist eine von jenen, die gelernt haben, sich durchzusetzen und mit Vorurteilen aufzuräumen. “Mir ist als Jugendliche gesagt worden, dass ich zu zierlich sei für den Job und lieber Tischlerin werden sollte”, erzählt sie, “aber die Schreinerei finde ich auch nicht weniger anstrengend, manche Jungs sind leichter als ich und es gibt heutzutage zum Heben ja Kräne.” Auch auf die Unterstützung von Arbeitskollegen könne sie stets zählen, wenn es um schwere Holzteile geht.
Zur Person
Leonie Reinprecht
Alter 20
Wohnort Egg
Ausbildung Werkraumschule, Zimmerer-Lehre bei “D´r Holzbauer”
Beruf Zimmererin bei “Holzbautechnik Reinprecht”
Hobbys Poledance, Stricken, Rodeln
Motto Eines nach dem anderen – alles gleichzeitig geht nicht
Muskelkraft hat die junge Schwarzenbergerin allemal auch selbst. “Also meinen Freund kann ich tragen, aber schwerer geht nicht mehr und das muss so auch reichen”, scherzt sie und grinst. Ebenso beweist die Handwerkerin Stärke, wenn sie sich zum Ausgleich in ihrer Freizeit dem Trendsport Poledance widmet. Dabei geht es um eine Kombination aus Tanz, Fitness und Akrobatik an der Stange. “Ansonsten bin ich leider nicht so die Sportliche und auch nicht musikalisch”, ergänzt sie und zuckt mit den Schultern. Dafür beweist sie nach Feierabend auf der Baustelle gerne mal beim Sockenstricken auf der Couch Geschick, geht mit Freundinnen aus oder plant mit ihrem jüngsten Bruder ein Schildkrötenhaus.

Leonie ist die Älteste von vier Geschwistern. Für sie war schon mit 14 Jahren klar, dass sie Zimmererin werden möchte. Erst drückte die Holzliebhaberin die Schulbank in der Werkraumschule und lernte das Handwerk in einem Betrieb in Andelsbuch. Inzwischen unterstützt sie ihren Papa Gernot im Familienbetrieb und stellt sich in der Bauhandwerkerschule der nächsten Herausforderung.

“Momentan ist es natürlich schon etwas anstrengend”, sagt die 20-Jährige. Aber getreu ihrem Motto “Eines nach dem anderen” möchte sie ihren Weg nicht nur bei der Ausbildung, sondern auch auf den Baustellen und auf dem Dach weitergehen. “Bei der Arbeit ist natürlich immer ein Risiko da”, ist sich Leonie bewusst und fügt hinzu: “Man muss aufpassen und darf sich nicht stressen lassen.”
