Treppensturz mit fatalen Folgen

Menschen / 20.03.2024 • 13:17 Uhr
Inge sulzer
Inge Sulzer leidet immer noch unter den Folgen eines Treppensturzes.

Inge Sulzer war eine Anlaufstelle für Menschen in Not. Heute braucht sie selbst Hilfe.

Bregenz Inge Sulzer (76) widmete ihr Leben sozialen Zielen. Menschen in Not zu helfen, war ihre Berufung. „Heute muss ich schauen, dass ich mir selbst helfe“, sagt Sulzer, die vor zwei Jahren dem Tod von der Schippe sprang. Am 22. Februar 2022 stürzte sie in ihrem Wohnhaus die Hausflurtreppe hinunter. Bei diesem Sturz über 18 Stufen zog sie sich schwerste Verletzungen zu. „Ich hatte eine Hirnblutung. Zudem brach ich mir mehrere Wirbel und das Schambein. Das Becken war gleich zweimal gebrochen. Aufgrund dessen kann ich heute nicht mehr gut gehen. Ich benötige eine Gehhilfe.“ Drei Monate lag sie im Spital, zwei Wochen davon auf der Intensivstation. Sulzer, die in ihrem Leben unzähligen Menschen geholfen hat, ist jetzt selbst auf Hilfe angewiesen. „Das ist schwer, zu akzeptieren. Ich hadere schwer mit Gott und der Welt.“

Der schwerste Schicksalsschlag

Der Treppensturz war der bisher schwerste Schicksalsschlag in ihrem Leben. Nur der frühe Tod ihres Vaters – er starb mit 54 Jahren – traf sie ähnlich schwer. „Ich, die Jüngste, war sein Liebling.“ Ihr Vater hatte zeitlebens an einem schweren Herzfehler gelitten. Sulzer wuchs in einem liebevollen Elternhaus in Lustenau mit zwei Geschwistern auf. Mit 16 lernte die Hasch-Schülerin beim Kilbi-Tanz Werner Sulzer kennen, ihren späteren Ehemann. Inzwischen ist das Paar, das zwei Kinder großgezogen hat, seit 58 Jahren verheiratet. „Ich wüsste nicht, was ich ohne Werner täte. Er ist mir eine große Stütze.“ Ihr Ehemann war es auch, der sie Anfang der 90er Jahre dazu animierte, in die Politik zu gehen.

inge sulzer
Inge Sulzer mit ihrem Mann Werner. “Er hat mich immer unterstützt.”

Mehr als 20 Jahre gehörte Sulzer der Gemeindevertretung in Mäder an. Die Gemeindepolitikerin bewegte viel, gründete verschiedene Vereine, reaktivierte die Turnerschaft und organisierte Kulturveranstaltungen. „Frauen, die sich scheiden lassen wollten, baten um meine Hilfe. So begann meine Berufung, anderen zu helfen.“ Im Zuge ihres politischen Engagements setzte sie sich für Menschen in Not ein, übernahm auch leitende Funktionen – unter anderem beim Frauenbund, bei der Frauenbewegung Vorarlberg, beim Familienverband, bei der Katastrophenhilfe und beim Seniorenbund – und initiierte Hilfsorganisationen wie den Leihoma-Dienst und die Notfallhilfe, eine Einrichtung, die Menschen rasch und unbürokratisch nach einem Schicksalsschlag hilft. Als Landtagsabgeordnete (1999 bis 2004) kämpfte sie für ein höheres Strafmaß bei sexuellem Missbrauch.

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Inge Sulzer mit ihren Enkeln Julian und Jonas. Heute sind die beiden erwachsene Männer.

Sulzer, die mit 56 Jahren noch ein Studium in politischer Bildung abschloss, trat für die Schwächsten ein, für alleinerziehende Mütter, für missbrauchte Kinder, für sozial schwache Familien, für Mindestrentner und Unfallopfer. „Ich hatte viel Glück in meinem Leben. Mir ging es gut. Deswegen wollte ich der Gesellschaft etwas zurückgeben.“ Manche Schicksale sind ihr heute noch in Erinnerung. Jene Mutter z. B. vergisst sie nicht mehr, die an ihre Tür klopfte und ihr etwas Fürchterliches anvertraute. „Sie sagte mir, dass sie ihren gewalttätigen Ehemann dabei erwischt hätte, wie er ihr Kind missbrauchte.“ Auch in diesem Fall konnte Sulzer, die für ihr soziales Engagement vom Land und vom Bund mehrfach ausgezeichnet wurde, helfen. „Ich habe veranlasst, dass Mutter und Kind einen Platz in der Frauennotwohnung bekommen.“

inge sulzer
Im Jahr 2011 durfte Inge Sulzer für ihr Engagement für Familien das Bundes-Ehrenzeichen von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner in Empfang nehmen – im Bild mit Andrea Gottweis, der Präsidentin des Österreichischen Familienbundes.

Es sprach sich schnell herum, dass Inge Sulzer Menschen hilft. „So wurde ich zur Anlaufstelle für Menschen in Not.” Wenn sie sah, dass sie helfen konnte, überkamen sie Glücksgefühle. „Das war mein Lohn.“ Noch heute bekommt die 76-Jährige Dankesschreiben. „Vor ein paar Tagen bekam ich ein WhatsApp von einer Frau. Sie schrieb: ,Sie haben für mich so viel Gutes getan. Danke. Das werde ich nie vergessen.‘“ Sulzer lächelt. Sie steht auf und geht mithilfe eines Rollators in die Küche. Dort schenkt sie sich eine Tasse Tee ein. Dann meint sie in den Raum hinein: „Langsam muss ich mein Schicksal akzeptieren. Ich tue mir keinen Gefallen, wenn ich dagegen ankämpfe.“

Inge Sulzer

geboren 20. April 1947 in Dornbirn

Wohnort Bregenz

Familie verheiratet, zwei Kinder, zwei Enkel

Hobbys Familie, Reisen, früher auch Wandern