Riskante Schatzsuche in den Alpen

Menschen / 09.05.2024 • 08:00 Uhr
Steinbrugger
Zum VN-Interview hat Thomas Steinbrugger einen schönen Alpenquarz mitgebracht, den er im Gotthard-Massiv entdeckt hat.

Thomas Steinbrugger war Vizeweltmeister im Eisklettern. Heute sucht er Kristalle an äußerst exponierten Stellen in den Alpen.

Hohenems, Andermatt Schon als Kind war Thomas Steinbrugger (55) überaus sportlich. „Ab dem siebten Lebensjahr habe ich Sport gemacht: Fußball, Tennis, Skifahren, Handball.“ Mit den Handballern wurde er sogar Staatsmeister. Später kam er über eine Freundin zum Klettern. „Dieser Sport hat mir anfangs nicht zugesagt. Ich war damals 90 Kilo schwer und nicht so beweglich.“

Mit 21 stürzte ihn sein Job – der Hohenemser war Logistikchef bei einer Gebäudereinigungsfirma – in eine Sinnkrise. „Die Frauen, die für uns arbeiteten, verdienten sehr schlecht. Damit kam ich nicht klar.“ Der junge Mann kündigte und begab sich auf Weltreise. „Im Alter zwischen 20 und 30 war ich viel auf Reisen.“ Wenn ihm das Geld ausging, kam der gelernte Großhandelskaufmann und Tischler zurück nach Österreich. Als Handwerker arbeitete er einige Monate im Akkord. „Dann bin ich wieder ins Ausland gegangen.“

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Thomas Steinbrugger war Profikletterer.

Australien gefiel ihm so gut, dass er dort eineinhalb Jahre lebte. In Down Under entbrannte seine Liebe zum Klettern. „Aus Langeweile bin ich jeden Tag klettern gegangen.“ Bald zählte Thomas zu den besten Kletterern Österreichs. Mit 30 begann er Wettkämpfe zu bestreiten. Zwei Jahre später wurde er Vizeweltmeister im Eisklettern. Als der Profisportler eine Familie gründete, hörte der Vater einer Tochter mit dem Wettkampfsport auf. „Ich habe dann in der Schweiz eine Baufirma gegründet. Meine Mitarbeiter und ich haben Kletterhallen gebaut und große Stadthäuser in Basel und Zürich renoviert.“ Aber das Klettern ließ ihn nicht los, in seiner Freizeit erschloss er neue Kletterrouten. „Das ist ein Riesenabenteuer.“

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Das Hochgebirge ist Thomas’ Welt.

Als seine Familie zerbrach, fand Thomas Trost in der Natur. Die Stille in den Bergen, die zieht ihn an. Heute ist er oftmals tagelang am Berg, sieht keinen Menschen, sondern nur Adler und Steinböcke. Der 55-Jährige hält sich berufsbedingt von April bis Oktober in den Bergen auf. Seit zehn Jahren ist er professioneller Bergkristallsucher bzw. Strahler. Von denen gibt es in Europa nur zwei Hände voll. Der ehemalige Profikletterer gehört dabei zur Minderheit derjenigen, die das wertvolle Gut auch an äußerst exponierten Stellen im Gebirge suchen.

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Thomas greift in einen Hohlraum. Dort könnten Kristalle sein.

Thomas arbeitet im Gotthard-Furka-Gebiet – auf einer Höhe zwischen 3.000 und 4.000 Metern. In die engen, tief in den Fels führenden Höhlen und Spalten kommt man nur hin, wenn man gut klettern kann. „Ich muss dort sein, wo Hohlräume sind, wo es erodiert, wo das Gestein locker ist, wo der Berg zusammenfällt und der Permafrost zurückgeht. Da und am Rande von Gletschern kommen Kristalle vor.“

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Das einfache Lager des Kristallsuchers.

Diese hochalpinen Orte aber sind gefährlich. Es droht Stein- und Eisschlag. Einmal stürzte Thomas in eine Gletscherspalte. Er hatte Glück im Unglück, schlug sich „nur“ ein paar Zähne aus und konnte wieder herausklettern. Sein Freund, ebenfalls ein Berufsstrahler, hatte weniger Glück. „Elio stolperte über einen Stein und stürzte 200 Meter in die Tiefe. Er wurde nur 36 Jahre alt.“ Das gab Thomas, der die meiste Zeit ohne Seil klettert, zu denken. „Ich überlegte kurz, ob ich wieder als Handwerker arbeiten soll.“

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Die Mühen haben sich gelohnt. Thomas entdeckte diesen schönen Alpenquarz.

Aber Thomas, der im schweizerischen Andermatt wohnt, hat keine Angst vor dem Tod. Er hat für sich beschlossen, die Suche nach Bergkristallen nicht aufzugeben. Dabei ist das Leben als Strahler nicht nur gefährlich, sondern auch spartanisch. Thomas arbeitet – oft mit Werkzeugen wie Hammer, Meißel und Handbohrmaschine – bei Wind und Wetter draußen, isst hoch oben im Fels und schläft unter freiem Himmel, in Biwaks oder Felshöhlen. Aber genau das liebt er: ein Bestandteil der Natur und weg vom Trubel der Welt zu sein.“

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Solche Funde wie diese lassen das Herz von Thomas höher schlagen.

Rund eine Tonne Kristalle bringt der Wahlschweizer jährlich ins Tal. Seine Kristalle sind gefragt. „Die Nachfrage ist bei mir groß, weil meine Kunden – darunter viele Sammler – wissen, dass ich ein Garant für gute Qualität bin.“ Der beste Stein, den er bis jetzt gefunden hat, brachte ihm 20.000 Euro ein. „Aber richtig teure Steine findet man nur selten“, bedauert der Schatzsucher, der mittlerweile jedoch von seinem Job leben kann.

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Lena begleitet ihren Vater manchmal in die Berge.

Thomas Steinbrugger

geboren 14. April 1969 in Dornbirn

Wohnort Andermatt

Ausbildung Großhandelskaufmann, Tischler

Familie geschieden, Tochter Lena

Hobby Reisen, Freunde treffen