Ein Hoch auf die Menschlichkeit

Menschen / 20.05.2024 • 13:50 Uhr
Ariane Mischitz Demenz Kaffee
Ariane Mischitz arbeitet seit mehr als 20 Jahren für den Mobilen Hilfsdienst. Roland Paulitsch

Mohi-Helferin Ariane Mischitz (56) leitet mit Freude das Demenzcafé in Bregenz. Aber die Einrichtung steht auf der Kippe.

Bregenz Menschlichkeit und Gesundheit. Das sind für Ariane Mischitz (56) die wichtigsten Werte im Leben. „Das hat mich meine Lebenserfahrung gelehrt.“ Ariane wuchs behütet in Leoben, der zweitgrößten Stadt in der Steiermark, auf. Nach der Matura machte die junge Frau ein zweimonatiges Praktikum in einem Spital. „Dort habe ich die Rüge meines Lebens bekommen.“ Ariane hatte in den Augen ihrer Chefin einen Fehler begangen. „Ich hätte Mullbinden in den Schrank einräumen sollen. Stattdessen habe ich einer betagten Patientin geholfen, das Essen einzunehmen.“

Die junge Frau wollte einen Beruf ergreifen, der sie mit Menschen zusammenbringt. Sie beschloss, in Graz Heil-, Sonder- und Sozialpädagogik zu studieren. „Nach vier Jahren wollte ich eine kurze Pause einlegen.“ Ariane kehrte nicht mehr an die Uni zurück. Das Leben kam dazwischen.

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Die Steirerin Ariane Mischitz fand in Vorarlberg eine neue Heimat.

Wegen einer Freundin reiste sie nach Vorarlberg. Mit ihr kellnerte sie mehrere Jahre im Gasthof Engel in Sulzberg. „Ich wusste fast alles über die Sulzberger. Sie haben mir ihre Nöte und Sorgen erzählt.“ Ariane ging mit einem Einheimischen eine Beziehung ein. Als sie ein Kind erwartete, zerbrach die Partnerschaft. Die werdende Mutter zog nach Bregenz. Sohn Philipp kam in der Landeshauptstadt zur Welt. Als er zwei Jahre war, lernte sie ihren jetzigen Mann Dietmar kennen, der zwei kleine Kinder in die Ehe mitbrachte.

Als Mohi-Helferin fand sie Ende der 90er Jahre eine Anstellung. „Ich suchte etwas im Sozialbereich, wo ich stundenweise arbeiten konnte.“ Inzwischen ist sie schon mehr als 20 Jahre für den Mobilen Hilfsdienst tätig. Als Mohi-Helferin ermöglicht sie es ihren Klienten, so lange wie möglich in ihrem eigenen Zuhause zu bleiben. „In all den vielen Jahren habe ich nur positive Erfahrungen gemacht. Aus dem beruflichen Engagement entstanden viele Freundschaften“, blickt sie dankbar zurück.

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Ariane mit ihrem Hund Stella. Die 56-Jährige hält sich gerne und viel in der Natur auf.

Jede Begleitung berührte sie. Eine wühlte sie besonders auf. „Einmal habe ich ein Paar betreut. Die beiden waren eine Einheit. Sie hatten sich während des Krieges auf der Flucht kennengelernt. Der Mann starb, die Frau verkraftete seinen Tod nicht und folgte ihm ein paar Tage später nach.“

Der Beruf hat mit Ariane etwas gemacht. „Ich war vorher schon sehr menschlich und einfühlsam. Das bin ich jetzt noch viel mehr.“ Das Leben insgesamt machte sie empathischer. Vor sieben Jahren setzte ihr das lange Sterben ihrer besten Freundin zu. „Christine starb mit 57 Jahren an Leukämie. Ich durfte sie in ihrer Krankheit begleiten.“ Seit diesem Schicksalsschlag hat Gesundheit für Ariane einen hohen Stellenwert.

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Das Demenzcafé in Bregenz ist immer gut besucht.

Aber an ihren Klienten sieht sie, dass das Leben auch lebenswert ist, wenn man alt und krank ist. Seit einem Jahr hat die Mohi-Helferin eine zusätzliche Aufgabe, „eine schöne Aufgabe“, wie sie betont. Sie ist die Gastgeberin im Demenzcafé in Bregenz. Gerda und Sabine, zwei ehrenamtliche Helferinnen, unterstützen Ariane, wenn am Mittwochnachmittag demente und einsame Menschen zu Kuchen und Kaffee in den Lebensraum Bregenz kommen. „Das Café ist ein Ort des Austauschs und wird sehr gut angenommen. Wir haben 20 Stammgäste“, freut sich Ariane.

Das Team gibt sich viel Mühe. Den älteren Menschen werden Gedichte, Sagen und alte Geschichten aus Bregenz vorgelesen. Besonders gut kommt das gemeinsame Singen an. „Verena Emmerich und Gerhard und Marlene Laritz wechseln sich beim Gitarre spielen ab. Sie haben viele alte Lieder im Repertoire. Da kann man einige Gäste abholen, wo sie sich befinden, nämlich in der Vergangenheit.“ Das „singende Demenzcafé“, das ein Gemeinschaftsprojekt der Aktion Demenz/Lebensraum Bregenz und dem Mohi Bregenz ist, hat auch Ariane schon viel Schönes beschert. „Eine 24-Stunden-Betreuerin erzählte mir einmal, dass ihr Klient jeden Mittwoch im Kalender rot anstreicht, weil wir an diesem Tag zusammenkommen. Solche Dinge berühren mein Herz und zeigen mir, wie sinnvoll meine Arbeit ist.“

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Sie stehen voll hinter dem Demenzcafé (von links): Peter Weiskopf, der Leiter vom Lebensraum Bregenz, Gerda Winder, Ariane Mischitz und Sabine Mazziotti.

Die 56-Jährige ist traurig über die mangelnde finanzielle Unterstützung durch die Stadt Bregenz. “Deswegen müssen wir jetzt einen anderen Träger suchen. Finden wir keinen, findet das Demenzcafé am 26. Juni zum letzten Mal statt.“ In ihren Augen wäre es schlimm, wenn die Einrichtung schließen müsste. „Das darf man den alten Menschen nicht wegnehmen. Denn es ist ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens geworden.“ Ariane jedenfalls kämpft dafür, dass es weitergeht.

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Ariane Mischitz

geboren 30. Jänner 1968 in Leoben

Wohnort Lochau

Familie verheiratet, ein Sohn

Hobbys Natur, Schwimmen, Wandern, Reisen

Lebensmotto Das Leben genießen, es ist viel zu kurz