“Ich male, um gesehen zu werden”

Menschen / 13.11.2024 • 10:22 Uhr
vorarlberger des tages: astrid nimeth
Die Malerin vor der Staffelei. Roland Paulitsch (4)

Nach einem Schicksalsschlag malt Künstlerin Astrid Theresia Nimeth-Stepany (62) wieder.

Schwarzach/Dornbirn Drei Monate konnte Astrid Theresia Nimeth-Stepany (62) nicht mehr malen. „Das war schrecklich“, sagt sie. Denn: „Wenn ich nicht malen kann, fühle ich mich unrund. Dann fehlt mir etwas.“ Aber die Künstlerin musste zuerst wieder genesen.

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Astrid Theresia Nimeth-Stepany malt hauptsächlich mit Acrylfarben. Sie macht aber auch Collagen.

Am 29. Juli 2024 ereilte sie der bis dahin schwerste Schicksalsschlag ihres Lebens. „Aus unerklärlichen Gründen bin ich in der Nacht zum Balkon hinausgegangen. Dieser wurde gerade saniert, es war noch kein Geländer angebracht. Dann bin ich rückwärts drei Meter in die Tiefe gefallen, direkt auf die Kellerstiege. Beim Aufprall auf den Beton kam ich zu Bewusstsein.“ Die gebürtige Oberösterreicherin vermutet, dass sie in dieser Nacht schlafwandelte. Bei dem Unfall brach sie sich zwei Brustwirbel und den linken Ellbogen. „Nie zuvor hatte ich so starke Schmerzen.“ 10 Wochen lang war sie stark gehandicapt, musste ein Korsett tragen. Aber Astrid Theresia hatte Glück im Unglück. „Ich könnte tot oder querschnittsgelähmt sein.“

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Die Künstlerin bildet sich laufend fort. Sie hat im Lauf der Jahre schon mehrere Malkurse besucht.

Schon einmal ging ein Schicksalsschlag für die Mutter dreier Söhne glimpflich aus. Ihr mittlerer Sohn Reinhard kam mit einem schweren Herzfehler zur Welt. Das Neugeborene musste schnellstens operiert werden. Es war eine OP, bei der die Ärzte sein Herz anhalten mussten. Sie bezweifelten, dass das Herz wieder anspringt. Deshalb rieten sie zu einer Nottaufe. „Vor der Operation sind mein Mann Peter und ich Hand in Hand von einer Kirche zur anderen gegangen und haben Kerzen angezündet.“ Die Mutter kam an einen Punkt, an dem sie sich in ihr Schicksal ergab und zu Gott sprach. „Lieber Gott, ich kann nicht mehr. Ich habe keine Kraft mehr und keine Tränen. Dein Wille geschehe.“ Die OP ging gut aus, der Bub überlebte ohne Folgeschäden.

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Die Malerin in ihrem Atelier in Dornbirn.

Danach wandte sich die Wahlschwarzacherin alternativen Therapiemethoden zu. Sie beschäftigte sich unter anderem mit Meditation und Reiki. Bei einem Aura-Soma-Kurs musste sie Zeichenstifte mitbringen. Das erzeugte bei ihr ein ungutes Gefühl. „Ich dachte, dass ich mich mit meinen Zeichnungen blamiere.“ Diese Sichtweise rührte aus ihrer Kindheit her. „Meine Großmutter war der Meinung, dass ich nicht zeichnen kann. Deshalb machte sie mir die Mal-Hausaufgaben.“ Nach dem Aura-Soma-Kurs begann Astrid Theresia zu malen. „Ich merkte, dass es mir guttut. Es ist ein großer Selbstausdruck.“

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Die Malerin geht gerne in die Natur.

In ihren Bildern schlagen sich ihre Begeisterung fürs Leben und ihr Freiheitsdrang nieder. „Meine Heldin der Kindheit war Pippi Langstrumpf.“ So frei wie diese wuchs auch Astrid Theresia auf, in Ried im Innkreis. „Meine Mutter betrieb ein Hutgeschäft. Ich hatte viel Freiraum, bin mit meiner Freundin losgezogen und habe den Stadtpark erkundet. Wir hielten uns auch öfters auf dem Dachboden auf. Da waren Kisten voller Schals, Hüte und Tücher. Mit diesen haben wir uns verkleidet.“

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Die Künsterlin hat ihre Bilder schon öfters ausgestellt.

Aber die gelernte Krankenschwester hat auch weniger schöne Kindheitserinnerungen. „Phasenweise bin ich gemobbt worden von anderen Kindern. Sie ließen mich spüren, dass ich keinen Papa habe.“ Als uneheliches Kind wuchs Astrid Theresia ohne Vater auf. „Bis zu meinem 18. Lebensjahr wusste ich nicht, wer mein Vater ist. Meine Mutter schwieg eisern.“ Später kam es zu einem einmaligen Treffen mit dem Vater, der Architekt war und auch gerne malte.

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Astrid Theresia mit ihrem Mann Peter.

Astrid Theresia, die sich verschiedene Maltechniken in Kursen aneignete, vermutet, dass sie auch deshalb malt, um gesehen zu werden. „Als uneheliches Kind sollte ich nicht gesehen werden. Das Malen ist Erlösung für mich. Ich kann zeigen, dass ich da bin und etwas Schönes mache.“ Ihr größter Fan ist ihr Mann Peter. Mit dem Vater ihrer Kinder erlebte sie eine wechselvolle Geschichte. Vor vierzehn Jahren verließ sie ihn und ging nach Wien. Dort fand Astrid Theresia eine neue Liebe und führte acht Jahre lang ein Antiquariat. 2020 kehrte die Künstlerin nach Vorarlberg zurück. „Peter und ich haben uns wieder angenähert. Vor ein paar Wochen haben wir noch einmal geheiratet“, gibt sie voller Euphorie preis.

Astrid Theresia Nimeth-Stepany

geboren 18. August 1962 in Wels

Wohnort Schwarzach

Familie verheiratet mit Peter, drei Söhne

Ausbildung Künstlerin, Krankenschwester, Reiki-Lehrerin, Aura-Soma-Beraterin

Hobbys Garten, Reisen, Lesen, Vernissagen besuchen

Motto Sei einzigartig, wild und wunderbar

Einige Bilder von Astrid Theresia Nimeth-Stepany können ab dem 20. November im Gasthaus Kohlereck in Dornbirn (Mittelfeldstraße 8) bewundert werden.