So kämpft sich Jennifer aus der Obdachlosigkeit und Alkoholsucht heraus

Jennifer war alkoholabhängig, obdachlos und schlitterte in Abhängigkeitsverhältnisse, bei denen sie Wohnen gegen Sex tauschte. Sie verrät den VN, wie sie es geschafft hat, sich aus diesem Tief zu befreien.
Von Katja Grundner
Schwarzach Ursprünglich kommt Jennifer* aus Afrika. In ihrer Heimat lernte sie als junge Frau einen Vorarlberger kennen. „Ich dachte, ich habe im Lotto gewonnen“, berichtet die knapp 50-Jährige. „Weil man in meiner Heimat glaubt, dass das Geld in Europa am Baum wächst. Aber auch weil ich dachte, dass er mich als weißer Mann nicht im Stich lassen würde.“ Damals trug Jennifer noch viele Idealisierungen in sich. „Aber Mensch ist Mensch“, meint sie jetzt. „Egal was für eine Hautfarbe – es gibt überall Gute und Schlechte.“

Jennifer heiratete und zog im Alter von 20 Jahren nach Vorarlberg. „Die Schwiegereltern duldeten mich als Afrikanerin nicht. Als ich ein Kind bekommen habe, war ich oft damit allein. Mein damaliger Mann hat sich mit anderen Frauen getroffen und mich manchmal geschlagen“, erzählt sie ihre Version der Geschichte. Zu dieser Zeit begann sie, Depressionen zu haben und Alkohol zu konsumieren. Die angespannte Situation zu Hause führte dazu, dass sie im Frauenhaus Schutz suchte.
Starke Abwärtsspirale
Während ihrer Zeit im Frauenhaus arbeitete sie, ihr Kind besuchte den Kindergarten und nach einiger Zeit fand sie eine Wohnung. „Aber es war ein Kampf als alleinerziehende Mutter und ich hatte das Trinken nicht unter Kontrolle“, gibt Jennifer zu. „Ich war allein und einsam“, bedauert sie. Schlussendlich ging es so weit, dass ihr das Kind abgenommen wurde. „Dann war ich noch mehr kaputt.“
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Von da an stürzte Jennifer in eine schnell rotierende Abwärtsspirale. Sie kam für einen Monat in die Psychiatrie und verlor Arbeit und Wohnung. Sehr oft schlief sie in der Caritas-Notschlafstelle in Feldkirch. Andere Male ging sie Zweckbeziehungen ein, bei denen sie für Sex bei Männern wohnen konnte. In diesen Situationen wurde sie gelegentlich ohne Vorwarnung hinausgeworfen. Manchmal schlief sie auch am Feldkircher Bahnhof. Gebettelt hatte sie jedoch nie, dafür schämte sie sich zu sehr.
Ein neuer Anfang
Ein paar Jahre befand sich Jennifer in dieser prekären Situation. „Ich sah aus wie 80, war immer krank, meine Leber war stark geschädigt und ich hatte keine Energie mehr“, beschrieb sie. Erst als sie zum Entzug in die Stiftung Maria Ebene kam, schöpfte sie wieder Hoffnung. „Seitdem bin ich trocken“, meint sie stolz. Das war vor neun Jahren. „Jetzt könnte sogar jemand neben mir Alkohol trinken und es würde mich nicht interessieren“, sagt sie überzeugt. Durch die Therapien hat sie sich gesunde Bewältigungsstrategien angeeignet. Wenn es ihr nicht gut geht, hört sie Musik oder geht in die evangelische Kirche beten. Ihre innere Anspannung lässt sie durch Weinen oder Boxen heraus.
Jennifer bekam ein neues Kind, mit dessen Vater sie zwar nicht mehr zusammenlebt, aber eine freundschaftliche Beziehung pflegt. Über das Soziale Netzwerk Wohnen hat sie vor sechs Jahren eine Wohnung erhalten, in der sie noch immer lebt. „Ich habe keine Angst, dass ich die Wohnung verliere. Aber ich habe schon mit dem Geld zu kämpfen. Aktuell suche ich einen Job. Eine Struktur und mehr Kontakte würden mir guttun“, sagt sie ausgesprochen reflektiert.
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Auf Weihnachten freut sich Jennifer nicht. „Ich will einfach, dass es vorbei ist, weil ich meiner Tochter nichts bieten kann“, bedauert sie. Ma hilft setzt dieses Weihnachten einen besonderen Schwerpunkt auf das Thema Wohnungslosigkeit. Aus diesem Grund unterstützt der gemeinnützige Verein Jennifer mit einer Spende, die ihrer Tochter ein Geschenk unter dem Christbaum garantiert.
Das Soziale Netzwerk Wohnen…
…ist ein Programm der Vorarlberger Wohnungslosenhilfe und der Vorarlberger Landesverwaltung. Ziel des Programmes ist es, Obdach- und Wohnungslosigkeit nachhaltig zu beenden – durch Vergabe einer gemeinnützigen Wohnung und aufsuchende Betreuung durch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter der ambulanten Wohnungslosenhilfe. Das Programm folgt damit den Grundprinzipien von Housing-First. Im Zeitraum von September 2006 bis Dezember 2023 wurden 235 Wohnungen über das Programm vermittelt.
*Der Name wurde zum Schutz der Person geändert