Aus der Dunkelheit ins Licht gekämpft

Bianca Ender (46) geriet nach der Scheidung in die Armutsfalle. Sie brachte sich und ihre zwei Kinder kaum durch.
Hohenems Bianca Ender (46) wuchs lieblos auf. „Meine alkoholkranken Eltern haben mich nie in den Arm genommen.“ Sie brachten dem Kind auch keine Wertschätzung entgegen. „Papa war alles andere als nett zu mir.“ Die Mutter litt unter schweren Depressionen. Bianca war als Kind viel allein, weil die Mutter untertags arbeitete und der Vater nach der Nachtschicht bis in den Nachmittag hinein schlief. „Ich war einsam.“ Das Mädchen flüchtete in seine eigene Welt. „Mit meinen Puppen spielte ich heile Familie.“

Mit sieben Jahren wurde auch Bianca depressiv. Mit 15 unternahm sie ihren ersten Suizidversuch. Mit 18 wollte Bianca unter den Zug. „Eine Freundin hielt mich davon ab.“ Mit 30 wollte sie sich abermals selbst töten. „Der Gedanke, gegen einen Baum zu fahren, war oft da.“ Die Depressionen begleiteten die Koblacherin bis in ihre Dreißigerjahre.
“Jeden Mittag überlegte ich, was ich bei einem leeren Kühlschrank auf den Tisch bringen könnte.”
Bianca Ender, zweifache Mutter
Inzwischen war sie eine verheiratete Frau und Mutter von zwei Söhnen. Aber die Ehe war bald zerrüttet. „Mein Mann und ich stritten viel.“ Nach der Scheidung geriet Bianca in die Armutsfalle. Für die zweifache Mutter begann ein erbitterter Überlebenskampf. Um sich und ihre Kinder durchzubringen, nahm die Ordinationsgehilfin mehrere Nebenjobs an. „Ich ging in mehrere Haushalte putzen und bügelte für andere.“ Trotzdem reichte das Geld kaum. „Manchmal blieben uns im Monat nur 150 Euro zum Leben.“ Bianca musste improvisieren. „Jeden Mittag überlegte ich, was ich bei einem leeren Kühlschrank auf den Tisch bringen könnte. Oft gab es Nudeln mit Tomatensauce.“

In der Not arbeitete sie bei der Hilfsorganisation „Tischlein deck dich“ mit. „Nach der Arbeit durfte ich Lebensmittel mit nach Hause nehmen.“ Die Existenznot ließ Bianca oft nicht schlafen. „Ich wusste nicht, wie ich am nächsten Tag die Schulsachen der Buben finanzieren sollte.“ Die materielle Not und die Verzweiflung waren so groß, dass sie mehrmals ernsthaft darüber nachdachte, ihren Körper zu verkaufen. „Ich sah darin einen Ausweg. Aber mir war klar, dass ich dann auch meine Seele verkauft hätte.“
Aus Frust zur Flasche gegriffen
Aus Frust griff Bianca alle drei bis vier Wochen zur Flasche. „Ich versuchte, die Belastungen mit Alkohol zu bewältigen.“ Auch das Essen wurde zum Tröster. „Ich brachte über 100 Kilo auf die Waage.“ Bianca hasste sich und ihren Körper. Aber dann suchte die Wahlhohenemserin bei Psychologen Hilfe. Dank verschiedener Therapien begann sie, sich selbst zu mögen und einen Weg zu sich selbst einzuschlagen. Sie beschloss, ein Buch über ihr Leben zu schreiben. „Unter Tränen schrieb ich mir alles von der Seele. Dadurch setzte bei mir ein Heilungsprozess ein.“ In ihrem Buch „Hinter den Mauern hat die Sonne auf mich gewartet“ zeigt sie neben ihren Lebensstationen auf, wie sie sich aus der Dunkelheit ins Licht kämpfte und wie sie zur starken Frau wurde. „Heute geht es mir gut. Ich habe meine Depressionen besiegt und bin eine stolze Mama von zwei halbwüchsigen Söhnen, die sich gut entwickelt haben. In der Freizeit gehe ich gerne wandern und ins Fitnessstudio.“

Doch die Alleinerzieherin, die verschuldet ist, muss immer noch mit ihrem Geld gut haushalten. „Im Luxus leben meine Söhne und ich nicht. Aber wir können jetzt auch mal in ein Café gehen.“ Zurzeit sucht die 46-Jährige, die bei einer Augenärztin arbeitet, einen Nebenjob mit 10 Stunden pro Woche. „Ich bin geschickt und ein Allrounder. Ich kann auch Wände streichen“, sagt sie und zwinkert vergnügt.
Sollten Sie Probleme haben und mit suizidalen Gedanken kämpfen, wenden Sie sich an die Telefonseelsorge. Sie ist unter der kostenlosen Telefonnummer 142 rund um die Uhr als vertraulicher Notrufdienst jeden Tag des Jahres erreichbar.