Bomben, Widerstand und Neuanfang unter französischer Befreiung

Menschen / 28.04.2025 • 16:30 Uhr
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Panzer fahren durch die zerstörte Rathausstraße in Bregenz. ECPA/Stadtarchiv Bregenz

Vor 80 Jahren endete der Zweite Weltkrieg: ein Blick auf Vorarlberg kurz nach dem Krieg.

Schwarzach Kurz vor Kriegsende beschossen alliierte Jagdflugzeuge Vorarlbergs Gemeinden. Die Tieffliegerangriffe forderten zahlreiche zivile Todesopfer, etwa zehn in Lauterach bei einem nur wenige Minuten dauernden Angriff auf den Bahnhof. Gemeinsam mit dem Artilleriebeschuss der letzten Kriegstage führten die Angriffe auch zu erheblichen Sachschäden. Der Luftkrieg war ein letztes Aufbäumen des Krieges, der in der ersten Maiwoche 1945 mit der Befreiung und Besatzung durch französische Truppen endete. Diese marschierten mit Panzern, Militärfahrzeugen und Mauleseln über das Leiblachtal in Vorarlberg ein und beendeten die siebenjährige NS-Herrschaft in Vorarlberg.

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Rauch über Bregenz. ECPA/Stadtarchiv Bregenz

Der französische Einmarsch erfolgte weitgehend kampflos, unterstützt durch die allgemeine Kapitulation der deutschen Truppen. Aber die Wehrmacht sprengte in Vorarlberg noch mehrere Brücken, um den Vormarsch der alliierten Truppen zu verzögern oder zu verhindern.

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Die VN sprachen mit dem Zeithistoriker Wolfgang Weber über das Ende des Krieges in Vorarlberg. Hartinger

„In Krumbach etwa sprengten am 30. April 1945 Waffen-SS-Einheiten die beiden zentralen Straßenbrücken des Dorfes. Eine lokale Widerstandsgruppe unter Führung von Max Ibele griff die SS an. Ibele fiel, ebenso fünf SS-Männer“, zeigt Zeithistoriker Wolfgang Weber auf, dass es in Vorarlberg gegen Kriegsende auch zu bewaffneten Auseinandersetzungen kam. In Langenegg waren ebenfalls Tote zu beklagen. „Bei einer Schießerei zwischen SS und Einheimischen fielen sechs Angehörige des Langenegger Widerstandes.“ Auch in Bludenz regte sich Widerstand. „Rund drei Dutzend Männer der Bludenzer Widerstandsbewegung wollten die NSDAP-Kreisleitung sprengen. Ihr Angriff scheiterte. Der Widerstandskämpfer Alois Jeller, dem es gelungen war, in die Kreisleitung einzudringen, wurde von einem SS-Offizier nach einem Verhör erschossen.“ Der bekannte Politologe Anton Pelinka ist der Meinung, „dass der Widerstand gegen die durch Österreich selbst mitgetragene NS-Diktatur zum herzeigbarsten Aspekt der österreichischen Geschichte des 20. Jahrhunderts zählt“.

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Französische Truppen überqueren die Grenze zu Österreich. Dieses galt als Freundesland. ECPA/Stadtarchiv Bregenz

Die Alliierten sahen Österreich als erstes Opfer der NS-Eroberungspolitik an. Ihr Kriegsziel war es, das Land von der NS-Diktatur zu befreien und die Republik wieder zu errichten. „Dass Österreich im Gegensatz zu Deutschland als befreundetes Land behandelt werden sollte, machte auch das Schild deutlich, welches der französische Oberbefehlshaber noch im Mai 1945 am wiedererrichteten deutsch-österreichischen Grenzübergang Hörbranz-Unterhochsteg anbringen hatte lassen. Darauf stand der Hinweis: ,Ici l’Autriche, pays ami‘ also ,Hier ist Österreich, Freundesland`“.

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Auf dem Dornbirner Marktplatz erfolgte am 2. Mai 1945 die erste Begegnung zwischen französischen Soldaten und der Bevölkerung. Stadtarchiv Dornbirn

Laut Weber verfügte Frankreich über keine klaren politischen Nachkriegspläne. „Für Österreich bzw. Vorarlberg war lediglich klar, dass es ein ,pays ami`war, Daher wurde es im Mai 1945 auch befreit und nicht besetzt.“ Frankreich etablierte eine Militärregierung, welche das Land verwaltete. Diese sah es als ihre Aufgabe an, Nazis einzusperren, die Lebensmittelversorgung zu sichern und eine demokratische Regierung zu errichten.

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Marokkanische Soldaten beim Holzlagerplatz Vordere Achmühle in Dornbirn. Stadtarchiv Dornbirn

Die zivile Vorarlberger Landesregierung stand nach drei Wochen. Ihr gehörten Christlichsoziale wie der spätere Landeshauptmann Ulrich Ilg und Sozialdemokraten an. „Alle christlichsozialen Mitglieder des Landesausschusses waren Funktionäre des ehemaligen Ständestaates. Unter der Akzeptanz der Militärregierung kam es also zu einer Restauration der alten politischen Kräfte.“

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Kurz vor dem Einmarsch der französischen Truppen entfernten Anrainer in der Bäumlegasse in Dornbirn die von SS-Truppen errichteten Panzersperren. Dabei halfen auch Kinder mit. Stadtarchiv Dornbirn

Die Absetzung der NS-Machthaber hingegen dauerte seine Zeit. „Einige NS-Bürgermeister verblieben noch wochenlang im Amt.“ Nach Weber war die Entnazifizierung insofern erfolgreich, als sich Nazis registrieren lassen mussten und zumindest mit langfristigen Geldstrafen belegt wurden. „Aber man entfernte längst nicht alle belastete Personen aus Ämtern und anderen wichtigen gesellschaftlichen Funktionen. Wenn man das gemacht hätte, wäre das Staatsgefüge auseinandergebrochen. Denn es fehlten schlichtweg qualifizierte, unbelastete Männer und Frauen für diese Positionen.“ Am dramatischsten sei die Nachsicht der Behörden bei den Industriellen gewesen. „Von diesen waren zum Beispiel im Bezirk Feldkirch rund 70 Prozent als ehemalige Nazis belastet, nur rund vier Prozent wurde jedoch die Leitung ihres Betriebes entzogen.“

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Die Lauteracher Brücke wurde in den letzten Kriegstagen gesprengt. Stadtarchiv Bregenz

Die wirtschaftliche Lage war damals dramatisch. „Bei Kriegsende waren nur mehr Lebensmittelvorräte für rund drei Wochen vorhanden.“ Nahrungsmittel, Heizmaterial und Kleidung waren knapp, ebenso Wohnraum aufgrund des Zuzugs tausender Flüchtlinge. Viel Hilfe bekam die Vorarlberger Bevölkerung in diesen Tagen aus der Schweiz und von internationalen Hilfsorganisationen wie Care oder der UNRRA. „Die Schweiz lieferte unter anderem Kartoffeln, Mehl und Gemüse. Trotzdem litten die Menschen im Winter 1945/46 Hunger. Die Ernährungslage blieb bis Ende der 1940er Jahre angespannt.“

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Die Bahnhofstraße in Bregenz brennt. ECPA/Stadtarchiv Bregenz
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