Dr.-Toni-und-Rosa-Russ-Preis und -Ring 2025: Volksbildner und Botschafter des Gewissens

Menschen / 16.07.2025 • 05:55 Uhr
Dr.-Toni-und-Rosa-Russ-Preis und -Ring 2025: Volksbildner und Botschafter des Gewissens
Meinrad Pichler in der Vorarlberger Landesbibliothek. Viel hat der Russpreisträger 2025 in seinem Leben geforscht. VN/Paulitsch

Meinrad Pichler (77) erhält den diesjährigen Russ-Preis für seine herausragenden Leistungen als Historiker und Pädagoge.

Bregenz, Schwarzach Die in Zahlen gegossene Schaffenskraft von Meinrad Pichler lässt sich mit einem Klick in Erfahrung bringen. 672 Einträge für Publikationen aller Art finden sich auf der Homepage der Landesbibliothek.

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Doch um Pichlers Bedeutung und Wirken als Geschichtsforscher und Pädagoge zu erfassen, erweisen sich nackte Zahlen als unzulänglich. Der am 18. November 1947 in Hörbranz als fünftes von sechs Kindern in eine Landwirtefamilie geborene Historiker hat das heutige Vorarlberg geprägt: in dessen allgemeinem Geschichtsbild und in der Aufarbeitung einzelner historischer Ereignisse im Rahmen vorherrschender wirtschaftlicher, kultureller und gesellschaftlicher Gegebenheiten. Publikationen wie “Nachträge zur Vorarlberger Landesgeschichte”, “Von Herren und Menschen”, “Nationalsozialismus in Vorarlberg” oder der von ihm verfasste dritte Band zur “Vorarlberger Landesgeschichte von 1861” haben viel zu einem Erkennen von Identität und Selbstverständnis Vorarlbergs beigetragen.

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Das Forschen in Archiven liegt Meinrad Pichler im Blut. In den USA arbeitete er zwölf Stunden täglich in den dortigen Archiven.

Pichler ist mit seiner kritischen, jedoch stets auf streng wissenschaftlichen Standards beruhenden Aufarbeitung von Geschichte zu einer Art Botschafter des Gewissens in diesem Land geworden.

Junges Historiker-Team

“Alleine habe ich das nicht erreicht”, will der frischgebackene Russpreisträger die Lorbeeren nicht auf sich allein konzentriert wissen. “Wir waren Anfang der 80er-Jahre eine Gruppe junger, tatendurstiger Historiker, welche die jüngere Vorarlberger Geschichte beleuchten wollten. Mich frustrierte es zudem als Geschichtslehrer immer wieder, wenn ich Fragen von Schülern über die Vorarlberger Zeitgeschichte nicht beantworten konnte”, erklärt Pichler die Motivation der jungen Wissenschafter. Zu den forscherischen Wegbegleitern Pichlers gehören unter anderem Harald Walser, Gernot Egger, Werner Dreier oder Werner Bundschuh. Sie waren es auch, welche 1982 die Johann-August-Malin-Gesellschaft gründeten. Ein historischer Verein, der sich die Erforschung der neueren Vorarlberger Geschichte zum Ziel setzt. Pichler sieht sich mit seinen Aktivitäten vor allem als “Volksbildner”. “Ich versuche, in Vorarlberg mit Vorträgen und Publikationen zu einem historischen Verständnis beizutragen.”

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Der junge Meinrad Pichler als Student während eines Aufenthaltes in den USA. Amerika hat den späteren AHS-Lehrer immer interessiert. Pichler

Stochern im braunen Sumpf

Beliebt gemacht haben sich er und seine damals jungen Kollegen mit ihrem Stochern im braunen Sumpf des “suberen Ländles” nicht überall. “Aber uns war das egal. Im Gegenteil: Wir empfanden das Ankämpfen gegen Widerstände als Ansporn.” Der Zugang zu Archiven und anderen Quellen-Hotspots wurde ihnen verwehrt. Es brauchte eine Genehmigung des Bundes, dass die ambitionierten Forscher wenigstens im Archiv des Landesgerichts recherchieren durften. “Und da wurden wir sehr unfreundlich behandelt. Wir durften nichts kopieren, mussten in einem modrigen Keller arbeiten und alles, was wir erfasst haben wollten, von Hand aufschreiben”, erinnert sich Pichler.

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Meinrad Pichler (rechts) nach Erscheinen seines Werks “Auswanderer” mit dem damaligen Minister Jürgen Weiss und Gattin Regina.

Forschung in den USA

Pichlers Forschungstätigkeit kreiste aber beileibe nicht nur um das Thema Nationalsozialismus. Vielbeachtete andere Publikationen säumten seinen jahrzehntelangen Weg als Wissenschafter. Dazu zählt vor allem sein Buch über Vorarlberger Auswanderer in die USA. Ein Jahr lang forschte Pichler für diese Arbeit in den Vereinigten Staaten, verbrachte dafür zahlreiche 12-Stunden-Tage in diversen Archiven der USA.

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Als gefragter Vortragender zu historischen Themen ist Meinrad Pichler an den verschiedensten Orten Vorarlbergs gern gesehener Gast. VN/Paulitsch

Sein Buch “Quergänge” umfasst eine Sammlung von Biografien über Vorarlberger Persönlichkeiten, die nicht wirklich im Vordergrund standen, durch ihr Wirken jedoch nachhaltige Spuren in diesem Land hinterließen.

Zahlreiche Aufsätze und vor allem auch seine Kommentare zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen in den Vorarlberger Nachrichten komplettieren Meinrad Pichlers publizistisches Gesamtwerk, das er regelmäßig auch mit Vorträgen zu historischen Themen in vielen Kommunen des Landes veredelt.

Meinrad Pichler lebt in Bregenz. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder und drei Enkel.

Meinrad Pichler

Geboren: 18. November 1947 in Hörbranz

Bildungsweg: Volksschule Hörbranz, BG Bregenz, Studium Lehramt Deutsch und Geschichte in Wien

Berufliche Karriere: 1972 bis 1994 als Lehrer am BRG/BORG Dornbirn Schoren; 1994 bis 2010 Direktor am BG Bregenz Gallusstraße; seit 2010 in Pension

Bedeutendste Publikationen:

“Nachträge zur Vorarlberger Landesgeschichte”, “Von Herren und Menschen”, “Auswanderer”, “Nationalsozialismus in Vorarlberg”, “Dritter Band Vorarlberger Landesgeschichte 1861 bis 2015”, “Quergänge”, “Auswanderer”; sowie zahlreiche Aufsätze und Kommentare in den Vorarlberger Nachrichten

Familie: Verheiratet, zwei Kinder, drei Enkel

Wohnhaft: Bregenz