Kein Brotgelehrter, sondern ein Vermittler – “Nur wer die Vergangenheit versteht, kann aus ihr lernen”

Der Historiker und langjährige Direktor Meinrad Pichler wurde am Dienstagabend mit dem 56. Dr.-Toni-und-Rosa-Russ-Preis ausgezeichnet. VN-Chefredakteurin Isabel Russ und Kulturjournalist Walter Fink würdigten das Lebenswerk des selbsternannten Schulmannes.
Darum geht’s:
- Meinrad Pichler erhielt am Dienstagabend den Russ-Preis.
- Kulturjournalist Walter Fink hielt persönliche Laudatio auf Pichlers Lebenswerk.
- Pichler prägte Vorarlbergs kritische Geschichtsschreibung seit 1982.
Von Mirijam Haller und Matthias Rauch
Bregenz Der Historiker, Publizist und langjährige Gymnasialdirektor Meinrad Pichler ist für seine herausragenden Leistungen am Dienstagabend mit dem 56. Dr.-Toni-und-Rosa-Russ-Preis und dem Russ-Ring ausgezeichnet worden.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.
Kulturjournalist Walter Fink würdigte in einer bewegenden und sehr persönlichen Laudatio das Lebenswerk seines langjährigen Wegbegleiters. Fink spannte dabei den Bogen von den Anfängen einer kritischen Geschichtsschreibung in Vorarlberg bis hin zu Pichlers bleibendem Einfluss auf Bildung, Erinnerungskultur und öffentliche Debatten.

Fink erinnerte in seiner vielschichtigen Rückschau an das Jahr 1982 – das Geburtsjahr einer neuen, kritischen Vorarlberger Geschichtsschreibung –, in dem Pichler mit seiner Publikation “Nachträge zur neueren Vorarlberger Landesgeschichte” einen Weckruf veröffentlichte: eine scharfe Analyse des beschönigenden Umgangs mit der NS-Zeit im Land. Es folgten zahlreiche Publikationen, die das verdrängte Kapitel der Landesgeschichte aufarbeiteten, darunter wegweisende Werke wie “Von Herren und Menschen” – gemeinsam mit Hermann Brändle, Gernot Kiermayr, Kurt Greussing, Harald Walser –, das erstmals die Namen von NS-Opfern in Vorarlberg dokumentierte.

Sein Wirken basiert auf einem klaren Grundsatz, betont VN-Chefredakteurin Isabel Russ: “Nur wer die Vergangenheit versteht, kann aus ihr lernen.” Pichler prägte nicht nur die wissenschaftliche Debatte. Als Direktor des Bundesgymnasiums Gallusstraße verstand er Schule als lebendigen Ort der Auseinandersetzung, der Horizonterweiterung. “Er war nahbar, immer auf Augenhöhe”, erinnerte Russ, die einst Schülerin des Geehrten war. Er habe jeden und jede an der Schule beim Namen gekannt: “Es war für ihn selbstverständlich, dass wir neugierig bleiben, neue Perspektiven kennenlernen, Fragen stellen und die Welt nicht nur aus dem Schulbuch heraus betrachten.”
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.

Die Liste seiner Verdienste ist lang: Mitgründer der Johann-August-Malin-Gesellschaft, Forscher zur Vorarlberger Auswanderungsgeschichte, Initiator von Schulprojekten wie “Public Service” oder “Schule in Bewegung”. Über 100 Publikationen, zahllose Vorträge, viele Auseinandersetzungen. “Er war nie ein Brotgelehrter, sondern einer, der Zusammenhänge erkannte und versuchte, diese mit Gewinn an Wissen weiterzugeben”, so Fink.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Youtube angezeigt.
Und Meinrad Pichler bleibt aktiv: In Kolumnen, Büchern, Diskussionen meldet sich Pichler weiterhin pointiert zu Wort. Für seine Arbeit wurde er bereits 2014 mit dem Wissenschaftspreis des Landes Vorarlberg ausgezeichnet.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Mit dem Dr.-Toni-und-Rosa-Russ-Preis werden Persönlichkeiten geehrt, die Verantwortung übernehmen, Initiative zeigen und durch ihr Handeln bleibende Spuren hinterlassen. Meinrad Pichler reiht sich heute in eine beeindruckende Reihe von Preisträgerinnen und Preisträgern ein.