Böse statt recht
Seit bald einem Vierteljahrhundert stellt die ÖVP den Innenminister oder die Innenministerin. Die Liste ist daher lang: Sie reicht von Ernst Strasser (ab 2000) über Johanna Mikl-Leitner und Karl Nehammer bis zum gegenwärtigen Amtsinhaber Gerhard Karner. Und das ist jetzt nur ein Auszug. Eine Art Interregnum gab es lediglich von Ende 2017 bis Anfang 2020, in der die Partei das Ressort zunächst den Freiheitlichen überließ. Genauer gesagt Herbert Kickl. Nach diesem fiel es bald wieder an die ÖVP zurück.
Das muss man sich in Erinnerung rufen. Über all die Jahre erwecken gerade auch ÖVP-Politiker den Eindruck, das Innenministerium werde von anderen geführt, und das System sei daher kaputt. Sie tun das dadurch, dass sie ständig Verschärfungen fordern. Von sich selbst, quasi.
Zunehmend machen sie es zudem in einer Art und Weise, als gehe es darum, gegenüber Asylwerbern möglichst bösartig zu sein. Als sei es wichtig, dass es ihnen schlecht geht. Selbst ein bisschen Bargeld, das ohnehin nur dürftige Lebensverhältnisse gewährleistet, ist daher zu viel. Wenn, dann solle es ausschließlich Sachleistungen geben. Und damit basta.
Natürlich: Sie sind damit nicht allein. Kickl hat seinerzeit die Erstaufnahmezentren Traiskirchen (NÖ) und Thalham (OÖ) in „Ausreisezentrum“ umbenannt. Das sollte ein Signal an die Flüchtlinge und mehr noch an seine Anhänger sein: Die Fremden sind gekommen, um verabschiedet zu werden. Beim „Stundenlohn“ für Hilfstätigkeiten, die sie erbringen dürfen, betrachtete er 1,50 Euro als angemessen. Heute geht Kickl noch weiter und bezeichnet den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán als Vorbild. Dieser sorgt in seinem Land dafür, dass es de facto keine Asylanträge mehr geben kann.
Aus den Reihen der SPÖ mag der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil dem nicht allzu weit nachstehen. Gerade hat er sich dafür ausgesprochen, höchstens 10.000 Asylanträge pro Jahr zuzulassen. Darauf, dass das so mir nichts, dir nichts schwer möglich ist, pfeift er: Es geht ihm ebenfalls darum, populistisch zu sein und einem Teil der Wählerschaft zu gefallen. Gerade im Superwahljahr!
„Menschen gehören im Übrigen würdevoll behandelt. Gerade auch die ganz unten.“
Was hier läuft, ist eine Verrohung, ein zivilisatorischer Rückschritt. Die Herausforderung, dass viele Menschen nach Österreich kommen, einen Asylantrag stellen und bleiben, ist keine Entschuldigung dafür. Man muss auch nicht pauschal unterstellen, dass es sich um „Zuwanderung ins Sozialsystem“ handle. Man könnte stattdessen auch an Lösungen interessiert sein, Verfahren beschleunigen und den Leuten den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern.
Aber das will man nicht. Dann würde es vielleicht weniger Integrationsprobleme geben, womit man weniger Stoff hätte, um zu skandalisieren. Dass eine Abschiebung von Erwerbstätigen schwerer durchsetzbar wäre, ist nur eine Ausrede: Werden Bedingungen von Anfang an klar kommuniziert und ordentlich geführte Verfahren in überschaubarer Zeit abgeschlossen, verbaut man sich diese Option nicht.
Asyl ist weder eine Frage von Willkür noch von Gnade. Es geht um Recht. Und Recht gehört konsequent, ja streng gepflegt. Menschen gehören im Übrigen würdevoll behandelt. Gerade auch die ganz unten. Das ist kein Widerspruch. Beides steht für den Entwicklungsstand einer Gesellschaft.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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