„Ich musste aus den Konventionen ausbrechen”

Eigentlich wollte Isabell Tschann-Kaus (38) in ihrem Heimatdorf Thüringen alt werden. Aber es kam anders als gedacht. Heute ist sie australische Staatsbürgerin und lebt in Hard.
Hard Als Teenager konnte sich Isabell Tschann-Kaus (38) beim besten Willen nicht vorstellen, einmal aus Thüringen wegzuziehen. „Ich wollte hier wohnen bleiben bis zu meinem Lebensende. Denn ich war gut integriert in meinem Heimatdorf. Ich war bei der Dorfmusik, spielte Saxofon. Ich kannte jeden, jeder kannte mich.“ Aber es kam anders als gedacht.

Isabell maturierte als Jahrgangsbeste an der HLW Rankweil, machte dann an der Uni Liechtenstein den Bachelor in Internationalem Management und an der FH Dornbirn den Master in Internationalem Marketing und Verkauf. Nach der Ausbildung wurde es der jungen Frau, die bei Hilti in Schaan als Produktmanagerin arbeitete, in Vorarlberg zu eng. „Ich musste weg und aus den Konventionen ausbrechen. Eine Veränderung tat not – auch weil es mir nicht gut ging. Ich litt seit meinem 14. Lebensjahr an einer Essstörung.“

Isabell ging im Jahr 2012 für Hilti nach Australien. „Zuerst arbeitete ich als Produktmanagerin im Hilti-Büro in Sydney, dann bin ich in den Verkauf gewechselt und habe Werkzeuge in der Stadt verkauft.“ Isabell wohnte nahe des Bondi Beach, das ist einer der berühmtesten Strände Australiens. „Die ersten vier Monate habe ich jedes Wochenende geweint, solches Heimweh hatte ich.“

Aber als Isabell eine Freundesclique fand und in eine WG zog, begann sie an dem neuen Leben in Sydney Gefallen zu finden. In ihrer Freizeit ging sie tauchen und schwimmen und besuchte Partys. Auf einem dieser Feste lernte sie einen Deutschen kennen. Jürgen Kaus, ein IT-Techniker aus Wiesbaden, gewann ihr Herz. Das erste Date fand kurz vor ihrer Abreise statt. „Ich hatte bei Hilti gekündigt, weil ich mir die Welt ansehen wollte.“ Auf dem Programm standen Südamerika, Malaysia, Thailand, Vietnam, Kambodscha, Nepal und Indien.

In Nepal absolvierte die Vorarlbergerin eine Reiki-Ausbildung, in Indien eine Ausbildung zur Yogalehrerin. Ihre Krankheit, die Bulimie, hatte sie auf den spirituellen Weg und zur Alternativmedizin gebracht. „Jahrelang habe ich bezüglich meiner Bulimie nach der goldenen Kugel gesucht, unter anderem war ich auch bei Geistheilern und Akupunktur-Therapeuten. Das hat mein Interesse für alternative und spirituelle Heilmethoden geweckt.“
Isabell überwand ihre Krankheit. Obwohl diese sie über Jahre begleitete und quälte, kann sie ihr rückblickend etwas abgewinnen. „Die Bulimie war nicht nur mein größter Dämon, sondern auch mein Glück. Durch sie habe ich eine große Empathie für Menschen entwickelt.“

Nachdem Isabell ihre Reiselust gestillt hatte, zog sie mit Jürgen in Sydney zusammen und suchte sich einen neuen Job. „Ich war für eine amerikanische Firma im Bereich digitales Marketing tätig.“ Im Jahr 2018 wurden Isabell und Jürgen, die inzwischen beide australische Staatsbürger waren, zum ersten Mal Eltern. „Es war eine große Umstellung für mich – von der kompletten Freiheit und Unabhängigkeit ins Mama-Dasein. Aber Maximilian war sehr willkommen.“
Bei dem Paar entstand der Wunsch, zurück ins multikulturelle Europa zu gehen. „Wir konnten uns gut vorstellen, im Dreiländereck zu leben.“ 2019 siedelte die kleine Familie von der größten Stadt Australiens ins beschauliche Buchs in der Ostschweiz um. „Wir fanden beide Jobs, Jürgen bei einer IT-Firma in Zürich und ich bei Hilti in Schaan als Führungskraft im strategischen Marketing.“

In Buchs wurde Isabell aber nicht heimisch. „Mir ging das Wasser ab. Ich liebe das Wasser und den Weitblick.“ Das Paar, das im Jahr 2020 in Meersburg heiratete, fuhr ums Schwäbische Meer und fragte sich, in welcher Bodenseegemeinde es leben könnte. „Vor drei Jahren sind wir dann nach Hard gezogen. Hier fühlen wir uns wohl und sind nahe am See. Hard hat auch den Vorteil, dass es gute Kinderbetreuungseinrichtungen hat.“

Inzwischen ist die Familie Tschann-Kaus größer geworden. Sohn Nicholas kam 2022 zur Welt. „Kinder zu haben ist lebensverändernd. Sie haben meinem Leben eine klarere Ausrichtung und mehr Bedeutung und Freude gegeben. Ich weiß jetzt auch mehr, was ich will im Leben.“ Die zweifache Mutter hat einen Traum. „Langfristig möchte ich mich im alternativmedizinischen Bereich selbstständig machen.“ Die Grundlagen dafür hat sie bereits gelegt. Sie absolvierte in Vorarlberg eine Ausbildung zum medialen Heiler. Außerdem ließ sie sich in der Bowen-Technik ausbilden. Die Therapie basiert auf der Theorie, dass sanfte Bewegungen auf spezifischen Punkten des Körpers, insbesondere auf Muskeln, Sehnen und Faszien, das autonome Nervensystem anregen und dadurch den Körper zur Selbstheilung anregen können.