Heilsame Erinnerungen

19.04.2024 • 11:39 Uhr
Demenz im Krankenhaus Fotos von den Memory-Nurses und den Memory-Dingen
Susanne Roth (l.) und Kornelia Poletti wecken mit diesen Materialien Erinnerungen. VN/Paulitsch

Am LKH Bludenz kümmern sich sogenannte Memory-Nurses um Patienten mit Demenz.

Bludenz Die ehemalige Köchin, die stundenlang mit einem Holzlöffel versonnen in einem leeren Topf rührt. Der Landwirt, der beim Betrachten eines Kuhbildes zu Ruhe kommt. Eine betagte Dame, die sich über einen kleinen Plüschbären freut, der ihr ganz alleine gehört. Etwas, das sie in der Kindheit nie erlebte. Es sind Erinnerungen an Patienten mit Demenz, und berühren Susanne Roth und Kornelia Poletti immer noch. Die Diplompflegerinnen könnten viele solcher Geschichten erzählen. Als sogenannte Memory-Nurses sind sie auf der Interne I im Landeskrankenhaus Bludenz tagtäglich für Menschen mit Demenz da. „Das Wissen um einen guten Umgang mit ihnen ist ein Gewinn für alle“, können Susanne Roth und Kornelia Poletti aus inzwischen jahrelanger Erfahrung berichten.

Demenz im Krankenhaus Fotos von den Memory-Nurses und den Memory-Dingen
Puppe und Kochtopf: Meist reichen einfache Dinge, um unruhige Patienten zufrieden zu stellen.

Weiterbildung absolviert

Susanne Roth war schon früh im familiären Umfeld mit Demenz konfrontiert. Später kam die Problematik auch im Spital auf. Die Zahl der Patienten mit Demenz steig. „Es wurde schwierig, weil es nichts gab, woran wir uns orientieren konnten. In der Ausbildung war Demenz kein Thema“, erzählt Roth. Doch die Frauen wollten Einblick haben und holten sich den schließlich im Rahmen des von den tirol kliniken 2014 organisierten Weiterbildungsangebots „Demenz braucht Kompetenz“. Seitdem geht die Behandlung, Betreuung und Begleitung von Patienten mit Demenz allen leichter von der Hand, wenngleich es trotzdem nicht immer einfach ist, aber: „Menschen mit Demenz können sich nicht an die Umwelt anpassen. Die Umwelt muss sich mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen an die veränderte Welt der Menschen mit Demenz anpassen“, sind sich Susanne Roth und Kornelia Poletti einig. Sie folgen auch gerne den Spuren des verstorbenen britischen Psychologen Tom Kitwood, der einmal feststellte: „Die Pflege von Menschen mit Demenz ist eine der anspruchsvollsten Aufgaben, die es im Leben gibt und die eine Gesellschaft zu vergeben hat.“ Das implizierte für ihn ein großzügiges, bedingungsloses und verzeihendes Annehmen des Anderen. Die beiden Frauen leben es mit viel Herzblut und Gefühl.

Demenz im Krankenhaus Fotos von den Memory-Nurses und den Memory-Dingen
Einen Kalender mit alten Ansichten haben die Memory-Nurses selbst gestaltet.

Schatzkiste an Erinnerungen

Für ihre Arbeit haben die Diplompflegerinnen auf eigene Initiative ein umfangreiches Arsenal an Beschäftigungsmaterial zusammengestellt. „Für Menschen mit Demenz ist ein Spitalsaufenthalt eine Ausnahmesituation. Deshalb ist es wichtig, ihnen Ablenkung zu bieten“, erklärt Kornelia Poletti. Jasskarten, Bildbände mit alten Ansichten, Spiele, Kochtöpfe, Stofftiere: Es braucht oft nicht viel, um mit Hilfe dieser Schatzkiste schöne Erinnerungen zu wecken. Besonderen Wert legen die Memory-Nurses zudem auf die Einbeziehung der Angehörigen. Alle Informationen über das, was der Patient braucht oder gerne tut, erleichtern die Behandlung. Schon einfache Dinge helfen. Der Pyjama, den er zu Hause trägt, die gewohnten Hausschuhe: „Vertrautes schafft Vertrauen“, flicht Susanne Roth ein. Es gibt für Angehörige auch keine Besuchszeitbeschränkungen. Gleiches gilt für die 24-Stunden-Betreuung.  Das Mittun verschafft dem Personal eine gewisse Entlastung.

Demenz im Krankenhaus Fotos von den Memory-Nurses und den Memory-Dingen
Bilder von Orten in Vorarlberg wecken bei Patienten mit Demenz Heimatgefühle.

Pflegedienstleiter Herbert Keim erklärt: „Ziel ist es, Weiterbildungen zu Demenz kontinuierlich im ganzen Haus anzubieten.“ Sie soll jedoch freiwillig bleiben. Susanne Roth und Kornelia Poletti geben ihr Wissen gerne an die Kollegenschaft weiter und stehen auch als Ansprechpartner zur Verfügung. Das Engagement lohnt: „Die Stationsleitungen sind sehr um Unterstützung bemüht.“

Demenz im Krankenhaus Fotos von den Memory-Nurses und den Memory-Dingen
Die Aktivierungskiste enthält auch Karten- und Brettspiele.
Demenz im Krankenhaus Fotos von den Memory-Nurses und den Memory-Dingen
Auch die Nesteldecke trägt bei Menschen mit Demenz oft zur Beruhigung bei.
Demenz im Krankenhaus Fotos von den Memory-Nurses und den Memory-Dingen
Plüschtiere und Demenzpuppe sind wichtige Helfer für die Memory-Nurses.