Vollzeitbonus oder Herdprämie
Familienpolitik sollte längst nicht nur Frauenpolitik sein. Gleiches gilt für Sozialpolitik, Arbeitsmarktpolitik und Steuerpolitik. Dennoch ist es überall ein wenig notwendig, da alte Rollenbilder noch immer den Fortschritt hemmen und Gleichstellung im Weg stehen. Wir reden von Fachkräftemangel, wenngleich viele Frauen hoch qualifiziert wären, aber aufgrund von Betreuungspflichten weniger arbeiten (müssen). Wir sprechen von geteilter Karenz, wenngleich es lediglich zwei Monate „Belohnung“ bei partnerschaftlicher Aufteilung gibt. Wir reden von Altersarmut, haben aber kein Modell gefunden, das die unbezahlte Familienarbeit von Frauen ausgleicht. Das könnte mit einem automatischen Pensionssplitting auch partnerschaftlich passieren, davon sind aber nicht alle überzeugt. Die Grünen wollen mehr in der Gleichstellungspolitik. SPÖ und FPÖ sehen eine automatische Aufteilung der Pensionsansprüche – 50/50 – kritisch. Die Freiheitlichen betonen, dies würde die Abhängigkeit vom Partner fördern.
Umso überraschender ist die FPÖ-Forderung nach einem Familiengeld (vor allem) für Frauen, die länger bei ihren Kindern ganz daheim bleiben. Auch das fördert Abhängigkeit. Wer nicht oder nur wenig arbeiten geht, verliert Pensionsansprüche. Jobaussichten werden geringer, mögliche Trennungen schmerzhafter. Das ist kein Schlechtreden jener, die daheim bleiben möchten, das ist leider Realität. Wenn die FPÖ das „traditionelle Familienbild“ fördern möchte und „völlig überzogene Genderpolitik“ kritisiert, dann muss sie die Konsequenzen dessen ehrlich kommunizieren. 1000 Euro Familienbonus für (vorwiegend) Mütter, die zu Hause bleiben, füllen weder Lücken, die später zu Altersarmut führen, noch kompensieren sie die Abhängigkeit vom Partner.
Das Kontrastprogramm zu dieser symbolischen Herdprämie liefert die Vorarlberger ÖVP. Sie fordert einen steuerfreien Bonus von 1000 Euro für alle, die Vollzeit arbeiten. Das ist insofern amüsant, als dieser Bonus alle Eltern symbolisch bestraft, die sich entscheiden, Betreuungspflichten zu übernehmen. Das sind in Vorarlberg laut Statistik 77,9 Prozent der erwerbstätigen Frauen und 6,4 Prozent der Männer mit Kindern unter 15 Jahren. Ein herzliches Dankeschön also von allen Eltern, die sich die Arbeitszeit und Fremdbetreuungszeit so einteilen, dass jeder ein bisschen was übernimmt. Natürlich auch vielen Dank von Alleinerziehenden und von Eltern, die ihre Kinder nicht fünf Tage Vollzeit fremdbetreut haben wollen. Vollzeit arbeiten bedeutet 100 Prozent. Mit kleinen Kindern und einem normalen Einkommen ist dies für beide Elternteile schwer realisierbar. In Skandinavien arbeiten viele Eltern 80 Prozent. Das hilft auch der Gleichstellung. Aus ÖVP-Sicht wären diese gleichgestellten Eltern weniger wert – um exakt 1000 Euro.
Eltern müssen Vollzeit arbeiten können, wenn sie das wollen oder müssen. Eltern müssen aber auch Arbeitszeit reduzieren können, wenn sie das wollen oder müssen und nicht indirekt dafür bestraft werden. Die Folgen geringerer Pension oder weniger Karrierechancen sind genug. Falsch ist es aber, zu kommunizieren, dass Vollzeitarbeit (ÖVP) der belohnenswerte Weg ist – oder eben genau das Gegenteil (FPÖ) zu tun. Das begünstigt alte Familienmodelle. Das hemmt die Beteiligung beider Elternteile, stigmatisiert jene, die sich Arbeits- und Familienzeit teilen. Es ist nicht richtig, politisch wieder auf einen Allein- oder Vollverdiener zu setzen. Es ist auch nicht klug. Vor allem aber ist es zynisch, wenn solche Vorschläge von Parteien stammen, die sich selbst als „Familienpartei“ bezeichnen.
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