Familienidyll
Der Vater war bei seiner Geliebten. Die Zwillinge wussten von ihr nur, dass sie eine Art Tante war, die die Mutter hasste. Als sie noch vier gewesen waren, gab es eine Geburtstagsparty für die Zwillinge, mit Kindergartenfreunden und viel gutem Kuchen, den die Mama gebacken hatte. Seit einem Jahr buk sie keinen Kuchen mehr, nämlich seit es die Tante gab. Es gab keine Pizza mehr und keine Suppen mit Buchstaben und keinen Pudding. Alles was sie kochte, schmeckte den Zwillingen nicht mehr. Sie sahen, wie die Mutter eine Packung mit Irgendetwas aufriss und in die Microwelle schob.
„Alles war dermaßen kompliziert geworden, wo es doch einmal so schön gewesen war.“
„Wir wünschen uns“, sagte der Zwilling, der siebzig Sekunden vor seinem Bruder aus der Mama herausgeflutscht war, „dass du uns eine Lieblingsspeise kochst. Kaiserschmarren hätten wir gern.“
Die Mutter kaufte Kaiserschmarren to go. Sie hatte ihn in einer Konditorei geholt, und er war bereits kalt, als sie ihn auf dem blanken Tisch servierte. Keine Tischdecke, kein Blumensträußchen wie noch vor einem Jahr.
„Ich erinnere mich an einen Schweinebraten in aller Herrlichkeit“, sagte der Mann und Vater. „Ich habe sogar von einem Schweinebraten geträumt, einen, wie du ihn früher so herrlich zubereiten konntest. Mit Semmelknödeln und lauwarmen Krautsalat. Darf ich mir das von dir wünschen? Ich bezahle auch dafür?“
Also, das hatten die Zwillinge gehört, der Papa wollte der Mama für eine Speise, die sie selber gekocht hatte, Geld geben. Bezahlen wie im Wirtshaus.
„Ist das normal?“, fragten die Zwillinge, die Mütter ihrer Freunde kochten alle umsonst.
Sie verstanden nur soviel, dass die Mama Rabauz wegen der Tante machte, die mit dem Vater herummachte. Das hatte nämlich die Mama auf ihre Frage gesagt, warum jetzt auf einmal alles so hässlich war: „Die machen miteinander herum.“ Was aber hieß „herummachen“, was macht man, wenn man herummacht? Und die Mama sagte auch, wegen der Herummacherei müssen sie sich vom Papa scheiden lassen.
„Wir auch?“, fragten die Zwillinge.
Alles war dermaßen kompliziert geworden, wo es doch einmal so schön gewesen war.
Die Mama fuhr mit den Zwillingen in ein Tierheim und brachte zwei junge Hunde mit. Für ihren Trost. Für jedes Kind einen. Sie hatte nicht zugehört, als ihr die Tierpflegerin gesagt hatte, der eine Hund sei weiblich, der andere männlich, und beide noch nicht geschnitten.
Jedenfalls trug es sich zu, dass nach einem halben Jahr das Weibchen in eine Ecke Kissen schleppte und dann drei Junge auf die Welt brachte. Das war ein Fest, aber nur für die Kinder.
Die Zwillinge waren fünf Jahre alt. Ihre Mutter war viel außer Haus, sie sagte dazu „auf den Wegen“. Was sie auf den Wegen machte, wussten die Zwillinge nicht, sie wussten nur, dass sie nichts anstellen durften, die Herdplatte nicht einschalten, nicht bügeln, und keine fremden Menschen hereinlassen.
Monika Helfer ist Schriftstellerin und lebt in Hohenems.
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