Achtsamkeitscoach im rosa Tüllröckchen

Julia Zambonin aus Bregenz schaufelt für das Ehrenamt mit Kind gerne Zeit frei.
Bregenz Teilzeitbeschäftigt in der betrieblichen Gesundheitsförderung und nebenbei ein Start-up für die Belieferung von Schulen mit gesunder Jause gegründet: Irgendwann ging Julia Zambonin (27) in ihrer Business-Blase die Luft aus. Sie suchte nach etwas, das wieder ein bisschen Leichtigkeit in den Alltag bringen sollte. Bei der Recherche nach ehrenamtlichen Tätigkeiten stieß die Bregenzerin im Internet auf das „Ehrenamt mit Kindern“, einem Angebot des Vorarlberger Kinderdorfs. Nach einem Erstgespräch war die Sache auf Schiene, und Karla trat in das Leben von Julia Zambonin. Einmal in der Woche unternimmt sie mit der Sechsjährigen, was deren Herz begehrt und lernt zudem fleißig Deutsch mit ihr. „Karla ist mein kleiner Achtsamkeits-Coach“, sagt Julia zufrieden, während die Kleine in ihrem leuchtend rosa Tüllröckchen munter über den Spielplatz flitzt.

Familien auf der Warteliste
Karla und Melissa (3) entstammen einer rumänischen Familie. Die Eltern zogen nach Vorarlberg, um den Töchtern eine gute Schulbildung zu ermöglichen. Drei Stunden pro Woche entlastet Julia Zambonin die Mutter, in dem sie Karla unter ihre Fittiche nimmt. Aktuell sind 104 Freiwillige für das Ehrenamt mit Kindern im Einsatz. 98 Familien und 383 Kinder erhalten so Unterstützung in vielfältiger Art. Im vergangenen Jahr wurden fast 16.000 Stunden an freiwilliger Hilfe geleistet. Dennoch ist es nicht genug. „Wir haben immer zu wenige Ehrenamtliche“, räumt Jasmin Neumayer vom Vorarlberger Kinderdorf ein. Derzeit stehen 47 Familien auf der Warteliste. Sie alle hoffen auf Menschen, die ihren Kindern Zeit und Aufmerksamkeit schenken und auf diese Weise ihren Alltag erleichtern. „Alle Familien eint, dass ihnen ein soziales Netz fehlt“, erklärt Neumayer. Trotzdem sei die Hemmschwelle, um Hilfe zu fragen, immer noch da. „Junge Familien sollten solche Belastungssituationen jedoch nicht alleine stemmen müssen“, bekräftigt sie.

Kraft und neue Blickwinkel
Julia Zambonin spricht von einem guten Verhältnis zu den Eltern von Karla. „Ich wurde mit offenen Armen empfangen.“ Es passte von Anfang an. „Eine gute Abklärung ist wichtig“, betont Jasmin Neumayer. Es sei legitim, wenn sich Interessierte nach dem Erstgespräch ihr Engagement noch einmal überlegen wollen: „Die Freiheit der Entscheidung muss da sein.“ Zambonin hat ihren Entschluss nicht bereut. Es macht ihr trotz des Jobs auch keine Mühe, Zeit für das Mädchen einzuplanen: „Karla zeigt mir andere und neue Blickwinkel, sie gibt mir Kraft. Ich freue mich auf jeden Tag, an dem ich mit ihr zusammen bin.“ Neben dem Internet ist Mundpropaganda das bevorzugte Instrument, das Ehrenamtliche ins Kinderdorf führt. „Viele kennen uns, das kommt uns zugute“, weiß Neumayer. Die jüngste freiwillige Helferin ist 17, die älteste 84 Jahre. Nach etwa eineinhalb Jahren endet ein solches Engagement offiziell. Oft entstehen aber Freundschaften und Beziehungen zu Kindern und Eltern, die weiterlaufen, wenn die Freiwilligen schon nicht mehr im Programm sind. Neumayer merkt noch lockend an: „Es ist nicht nur gefühlt eine tolle Sache, die positiven Auswirkungen auf alle Beteiligten sind auch wissenschaftlich bewiesen.“

Weitere Infos zum Ehrenamt mit Kindern: www.vorarlberger-kinderdorf.at


