Die bittere Seite der Süße

Der Weltdiabetestag soll Bewusstsein für ein drängendes Problem schaffen.
Feldkirch Luisa (8) und Benedikt (5) teilen ein Schicksal: Sie leiden an Diabetes Typ I und benötigen ihr Leben lang Insulin. Luisa war zweieinhalb, Benedikt vier Jahre alt, als die Diagnose gestellt wurde. Sie sind damit nicht allein. In Vorarlberg leiden schätzungsweise 30.000 Menschen an dieser Stoffwechselerkrankung, rund acht bis zehn Prozent von ihnen sind Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene. „Die Versorgung mit allem, was wir brauchen, ist gut“, bestätigt Steve Mayr, der Vater von Benedikt und Bürgermeister von Fraxern. Bei Angeboten, die darüber hinaus gehen, fehlen jedoch oft die finanziellen Mittel. Deshalb hat sich der Theaterverein Fraxern entschlossen, einen Teil des Geldes aus seinen diesjährigen Aufführungen der Kindergruppe der Diabetes Selbsthilfe Vorarlberg zukommen zu lassen. Conny Kriegl, die Mutter von Luisa und Leiterin der Kindergruppe, durfte sich anlässlich des heutigen Weltdiabetestags über einen 1000-Euro-Spendenscheck freuen. Bei der Kindergruppe fand auch die Familie Mayr rasch Unterstützung. Dafür ist Steve Mayr unendlich dankbar. „Es wird nicht die letzte Zuwendung sein“, versprach er.

Schulung für Lehrkräfte
Diabetes Typ I trifft vor allem Kinder und Jugendliche. Bei älteren Personen ist es der Diabetes Typ II, dessen Auslöser häufig ein ungesunder Lebensstil ist. Sie machen das Gros der Diabetiker aus. Während Typ II-Diabetiker viel selbst in der Hand haben, sind Typ I-Diabetiker auf die Gabe von Insulin und damit noch mehr auf eine kontinuierliche Überwachung ihres Blutzuckerspiegels angewiesen. Der technische Fortschritt in diesem Bereich schreitet rasant voran. Immer neue Sensoren und Möglichkeiten, den Ausfall der Bauchspeicheldrüse ohne großen Aufwand zu kompensieren, erleichtern Betroffenen den Umgang mit der bitteren Seite der Süße enorm. Schwierig wird es für Eltern, wenn die Kinder den Kindergarten oder die Schule besuchen. „Da sind sie auf die Flexibilität der Pädagogen angewiesen“, sagt Joe Meusburger, Obmann der Diabetes Selbsthilfe Vorarlberg. Genau an diesem Punkt ortet er aber noch zu häufig Widerstand und Ängste. „Lehrkräfte müssen auf diese Erkrankung geschult sein“, lautet deshalb seine Forderung, mit der er bei der Bildungsdirektion vorstellig werden will. „Pädagogen, die eine Schulung im Spital absolvieren, sind rechtlich abgesichert“, ergänzt Meusburger noch.

Appell für Beitritt
Der Thematik sollte seiner Ansicht nach insgesamt ein höherer Stellenwert eingeräumt werden, zumal die Erkrankungszahlen stark zunehmen. „Nach der Pandemie gab es beim Typ I-Diabetes eine Steigerung um acht Prozent“, verdeutlicht Oberarzt Alexander Vonbank, Leiter der Diabetes-Ambulanz im Landeskrankenhaus Feldkirch. Bei Joe Meusburger steht auch deshalb eine Diabetes-Reha für Eltern und Kinder auf dem Wunschzettel ganz oben. Als bedeutenden Schritt wird die Einrichtung der lange geforderten ambulanten Diabetes-Stützpunkte in Weiler und Dornbirn gewertet. Sie sollen die Ambulanz entlasten, was laut Vonbank bereits spürbar ist. Die Zuweisung erfolgt durch die Hausärzte. Was ihn freut: Das Burgenland und Salzburg wollen das Modell übernehmen. Ebenfalls geplant ist ein Pilotversuch mit Online-Sprechstunden. Es wäre österreichweit das erste derartige Projekt. Anfang des kommenden Jahres soll es an den Start gehen. Eine weitere Idee gründet in Sprechstunden für Hausärzte, in denen komplexe Fälle besprochen werden könnten. Conny Kriegl und Steve Mayr würden sich im Interesse ihrer Kinder einen normalen Umgang mit der Krankheit wünschen, und Joe Meusburger appelliert an Betroffene und Angehörige, der Diabetes Selbsthilfe beizutreten, denn: „Gemeinsam sind wir stärker.“

Weitere Infos: www.shv-diabetesgruppe.at
Kostenloses Diabetes-Screening
Dornbirn Am Donnerstag, 14. November, dem Weltdiabetestag, laden die Vorarlberger Lionsclubs zu einem kostenlosen Diabetes-Screening im Messepark ein. Von 13 bis ca. 17 Uhr (solange der Streifentest-Vorrat reicht) können Interessierte ihr persönliches Diabetes-Risiko testen lassen und Informationen zur Vorbeugung erhalten. Viele Betroffene wissen lange nichts von ihrer Erkrankung. Der Test basiert auf dem anerkannten FINDRISK-Score, der einfache Fragen zum Lebensstil und familiären Risiko umfasst. In einer Zeit, in der Diabetes weltweit und in Österreich stark zunimmt, will der Lionsclub eine Gelegenheit bieten, sich präventiv mit dem Thema auseinanderzusetzen.