Nach Krebs die Rote Wand hinauf

31.01.2025 • 09:44 Uhr
Bei verschiedensten Tumorerkrankungen ist die Möglichkeit einer Früherkennung gegeben. Das Mammakarzinom zählt auf jeden Fall dazu. vn
Bei verschiedensten Tumorerkrankungen ist die Möglichkeit einer Früherkennung gegeben. Das Mammakarzinom zählt in jedem Fall dazu. Dieses Screening ist bereits etabliert. vn

Der Trend zu einem längeren Überleben bei guter Lebensqualität setzt sich fort.

Bregenz Es ist eine gute Botschaft zum Weltkrebstag am 4. Februar: Mehr Menschen überleben eine Krebsdiagnose länger als fünf Jahre. Viele strafen sogar diese Messlatte Lügen. Patrick Clemens, Leiter des beim aks angesiedelten Krebsregisters Vorarlberg, hat seine Arbeit an der Abteilung für Strahlentherapie und Radio-Onkologie am LKH Feldkirch vor 15 Jahren begonnen. Aus dieser Zeit betreut der geschäftsführende Oberarzt immer noch Patienten. Laut Statistik Austria stieg die Überlebensrate in den vergangenen Jahren von 61 auf 63 Prozent. „Zu Jahresbeginn 2024 lebten in Österreich 418.740 Menschen mit Krebs. Bei fast der Hälfte der Betroffenen wurde die Diagnose bereits vor mehr als zehn Jahren gestellt“, unterstreicht auch Generaldirektor Tobias Thomas die positive Entwicklung anhand der Daten des Österreichischen Nationalen Krebsregisters von Statistik Austria. „Es sind viele Faktoren, die das Überleben begünstigen“, sagt Patrick Clemens. Neben Vorsorge- und Früherkennungsprogrammen zeigen vor allem moderne Krebstherapien Wirkung.

Messbarer Wert

An der Fünf-Jahres-Rechnung hält die Medizin fest, weil sich dieser Wert gut messen lässt. „In späteren Lebensjahren kommen andere Faktoren dazu, die eine Rolle spielen“, erklärt der Mediziner. Insgesamt würden die aktuellen Daten durchaus Anlass zu Optimismus geben. „Neben der seit Jahren sinkenden Darmkrebssterblichkeit verzeichnen wir diesmal ebenso eine Abnahme der Neuerkrankungen bei Prostatakrebs und weniger Lungenkrebstote bei Frauen“, berichtet Wolfgang Brozek, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Krebsregisters Vorarlberg, übrigens das älteste regionale Krebsregister Österreichs. „Die Gesamtzahl der Krebstoten hat leicht abgenommen und die Neuerkrankungen sind trotz wachsender Bevölkerung stabil“, führt Brozek weiter aus.

Krebserkrankungen in Vorarlberg 2022-2023_0125
Die Krebserkrankungen in Vorarlberg grafisch aufgeschlüsselt.

Nicht viel geändert hat sich an den häufigsten Krebserkrankungen. Bei Frauen führen Brustkrebs, Lungenkrebs und Darmkrebs die Liste an, bei Männern sind es Prostata-, Lungen- und Darmkrebs. Einige Änderungen gibt es trotzdem. Erstmals sind in den vergangenen zwei Jahren mehr Frauen an Bauchspeicheldrüsenkrebs als an Darmkrebs verstorben. „Das heißt nicht, dass der Bauchspeicheldrüsenkrebs zunimmt“, betont Patrick Clemens. Der Grund liegt in der Abnahme der Darmkrebssterblichkeit. Nachdem bei den Frauen auch die durch Lungenkrebs bedingte Sterblichkeit rückläufig ist, rückt wieder der Brustkrebs als häufigste krebsbedingte Todesursache nach vorne. Bei den Männern zeigt sich nach einem starken Anstieg nach 2020 zumindest ein leichter Rückgang der Neuerkrankungen bei Prostatakrebs.

Nützliche Vorsorge

Welchen Nutzen etwa Vorsorgeprogramme haben, zeigt das Vorarlberger Darmkrebsprogramm, das schon viele Menschen vor Krebs und belastenden Therapien bewahrt hat. Auf der anderen Seite sind es verbesserte Diagnosemethoden, die dazu beitragen, Krebserkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. „Wir verfügen inzwischen über moderne Verfahren, die gezielt gegen Tumorstrukturen wirken und das Wachstum effektiv hemmen“, sagt Clemens. Die Datenerhebung durch das Vorarlberger Krebsregister ermögliche außerdem eine detaillierte Analyse von Diagnose und Sterblichkeit, sodass Trends rasch erkennbar seien und es ermöglichen, entsprechende Maßnahmen zur Bekämpfung der Erkrankung zu entwickeln.

Patrick Clemens ist als Radio-Onkologe täglich sehr nahe an der Thematik.
Patrick Clemens ist als Radio-Onkologe täglich sehr nahe an der Thematik. VLKH

Über Ängste reden

Neben dem Überleben gilt es auch, die Lebensqualität von Patienten im Auge zu behalten. „Jeder Fall ist individuell zu bewerten. Wir müssen genau überlegen, was der Einzelne im Umgang mit der Erkrankung braucht“, erklärt Patrick Clemens und erzählt von einem Patienten, der zwei Jahre nach der Krebsbehandlung schon wieder die Rote Wand bezwang. Als ebenso wichtig erachtet es der Radio-Onkologe, über Ängste, die eine Tumorerkrankung begleiten, zu reden. Heilung? Die Medizin redet von tumorfrei, weil das Risiko, dass der Krebs zurückkommt, trotz allem besteht. „Krebs bleibt ein Teil des Lebens“, gibt Patrick Clemens zu bedenken. Hans Concin, langjähriger wissenschaftlicher Leiter beim aks, zitiert aus aktuellen Berichten von zwei amerikanischen Krebsgesellschaften: „Die zentralen Botschaften sind, dass die Krebssterblichkeit weiter sinkt, aber insgesamt mehr Krebsdiagnosen festgestellt werden. Vor allem, und das ist beunruhigend, nehmen die Neudiagnosen bei jüngeren Personen zu. Von diesem Trend sind Frauen stärker betroffen als Männer. Unter 65 wird neuerdings mehr Krebs bei Frauen als bei Männern diagnostiziert.“ Bei der Komplexität der Krebsentstehung seien differenzierte allgemein gültige Analysen jedoch schwierig zu erreichen, schränkt der Vorsorgemediziner ein.

Höhere Akzeptanz gewünscht

Günstigere Nachrichten hat Concin für jene, die eine Darmspiegelung (Koloskopie) scheuen: „Es könnte bald bessere Tests für Blut und Stuhl und damit Alternativen geben.“ Auch würden sich wissenschaftliche Hinweise verdichten, wonach vegetarische Kost der Krebsprävention einen günstigen Effekt verleihe. Prävention hält auch Patrick Clemens für essentiell. Dazu zählen für ihn Bewegung, Ernährung, eine positive Lebenseinstellung und die HPV-Impfung. Bei Letzterer würde er sich dringend eine höhere Akzeptanz wünschen.

90 Prozent sollte die Durchimpfung bei HPV betragen. vn/stiplovsek
90 Prozent sollte die Durchimpfung bei HPV betragen. vn/stiplovsek