Mit Feingefühl den letzten Weg gestalten

Ingrid Holzmüller fand für sich eine sinnvolle Beschäftigung in der Rente. Sie engagiert sich für den Verein „Abschied in Würde“.
Bregenz Mit Ingrid Holzmüller (63) hat der Verein „Abschied in Würde“ seit einigen Monaten eine neue Obfrau. Der Verein wurde 1994 auf Initiative von Christl Büsel gegründet. Die engagierte Götznerin vertrat die Meinung, dass jedem Menschen, gleich welcher Konfession und Weltanschauung, am Ende seines Lebens eine würdevolle Verabschiedung zugestanden werden müsse. Seither bietet der ehrenamtlich geführte Verein seinen rund 700 Mitgliedern individuelle und sehr persönliche Abschiedsfeiern an, die erfahrene Ritualleiterinnen und Ritualleiter mit viel Feingefühl gestalten.
“Hatte viel Glück im Leben”
Holzmüller ist seit 2021 in Rente. Für die Bregenzerin war klar, dass sie sich nach der Pensionierung im Sozialbereich ehrenamtlich engagiert. „Ich hatte so viel Glück im Leben. Dafür bin ich dankbar. Deshalb möchte ich der Gesellschaft etwas zurückgeben.“ Sie selbst blieb glücklicherweise von größeren Schicksalsschlägen verschont. Das Leben meinte es gut mit ihr: „Das, was ich erreichen wollte, habe ich erreicht. Ich gründete eine Familie, hatte einen erfüllenden Beruf und gute soziale Beziehungen.“ Eine schwierige Zeit sei für sie gewesen, als sie sich von ihrem ersten Mann trennte. „Unsere drei Kinder waren da aber zum Glück schon groß.“

Schon früh setzte sich die Tochter eines Bankdirektors mit dem Tod auseinander. „Er hat mich immer schon fasziniert. Ich habe viel darüber gelesen, auch übers Abschiednehmen.“ Wie fragil das Leben ist und wie schnell sich alles ändern kann, erfuhr sie durch ihren Beruf. Elf Jahre arbeitete Holzmüller bei der Firma „dafür“ als Arbeitsassistentin für Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Sie hatte es mit Menschen zu tun, die durch einen Unfall oder eine Krankheit oft von heute auf morgen ins Hintertreffen geraten waren. „Meine Aufgabe war es, für meine Klienten eine neue Arbeit zu finden oder es möglich zu machen, dass sie im alten Job bleiben können.“
Auch in ihrem vorigen Job hatte sie zu ihrer Freude direkten Kontakt zu Menschen. Holzmüller leitete elf Jahre lang das Ehe- und Familienzentrum der Diözese Feldkirch. Als solche führte die diplomierte Familienarbeiterin, Krisenberaterin und Sexualpädagogin viele Gespräche mit den unterschiedlichsten Menschen. „Das bereicherte mich.“ Sie gab auch selbst Kurse für Eltern, Jugendliche und Kindergartenpädagoginnen.

Schon vor der Pensionierung trug sich Holzmüller mit dem Gedanken, Verabschiedungen zu machen. „Das Thema Tod und wie Menschen damit umgehen, ließ mich nicht los.“ Mit Anita Bonetti hatte Holzmüller eine gute Bekannte, die Ritualgestalterin war. „Als sie einmal erkrankte, sprang ich für sie ein und machte die Verabschiedung.“ Die Feier sei sehr schön gewesen, sagt sie, „wir haben in der Kirche Dias von dem Verstorbenen gezeigt. Und zwei Freunde von ihm machten schöne Musik.“
Ein Jahr später traf Holzmüller mit Marielle Manahl zusammen, die damals Obfrau des Vereins “Abschied in Würde” war. „Ich bot ihr an, dass ich Trauerfeiern gestalte, wenn Not am Mann ist.“ Im Herbst 2023 wurde Holzmüller gefragt, ob sie sich vorstellen könnte, den Verein zu übernehmen. „Nach einer mehrwöchigen Bedenkzeit sagte ich zu.“

Als Obfrau nimmt die 63-Jährige auch Anrufe entgegen. „Einmal rief ein 90-jähriger Mann an. Er sagte, dass es niemanden mehr geben würde, der über ihn etwas sagen könne. Daraufhin bot ich ihm an, seine Lebensgeschichte für ihn aufzuschreiben.“
Jemand, der den Tod verdränge, könne diesen Job nicht machen, meint sie. „Das kann man nur, wenn man sich mit ihm auseinandergesetzt hat.“ Holzmüller glaubt, dass das Leben mit dem Tod nicht endet. „In irgendeiner Form geht es weiter.“ Deshalb fürchtet sie sich nicht vor dem Ende. Ihre Cousine, die vor kurzem mit 66 Jahren verstorben ist, ist ihr ein Vorbild. „Sie hatte Bauchspeicheldrüsenkrebs, hat aber mit ihrem Schicksal nicht gehadert. Sie ist völlig versöhnt aus dem Leben geschieden.“
Ingrid Holzmüller
geboren 15. Juli 1961 in Bregenz
Wohnort Bregenz
Familie verheiratet mit Klaus, drei Kinder, fünf Enkel
Hobbys Backen, Kochen, Lesen, Sport, mit Hund Tamino Gassi gehen