Schuldsprüche im Wirtschaftsbund-Prozess: Anfütterung bei Weihnachtsfeier

Rüdisser und Co. wurden wegen Vorteilsnahme oder -zuwendung schuldig gesprochen. Untreue wird ihnen nicht angelastet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Feldkirch Ja, es sind Gelder geflossen. An diesem Sachverhalt hat niemand einen Zweifel. Der einstige Landesstatthalter Karlheinz Rüdisser (ÖVP) ließ sich zwischen 2013 und 2019 Weihnachtsfeiern und ein Abschiedsfest vom Wirtschaftsbund bezahlen. Ob es sich dabei um eine Anfütterung handelte, daran scheiden sich die Geister. Es sind knapp 13.000 Euro, die von der Wirtschaftsbund-Affäre übriggeblieben sind. Die Vorwürfe der Untreue, Vorteilsnahme oder -zuwendung wurden am Dienstag vor dem Landesgericht Feldkirch erörtert. Das Ergebnis: Die Angeklagten sind betreffend Vorteilsnahme und -zuwendung schuldig. Den Vorwurf der Untreue sieht Richter Theo Rümmele als nicht erfüllt an. Auch das Abschiedsessen ist vom Urteil nicht umfasst. Das Urteil ist erstinstanzlich und nicht rechtskräftig.

Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass sich Rüdisser anfüttern habe lassen und sich der Wirtschaftsbund Vorteile erhoffte. Alle Angeklagten bekennen sich hingegen nicht schuldig – neben Rüdisser sind das die einstigen Wirtschaftsbund-Direktoren Jürgen Kessler, Walter Natter und der frühere Wirtschaftsbundobmann Hans Peter Metzler. Deren Verteidigung spricht unter anderem von einem lebensfremden Strafantrag.
Staatsanwälte sehen Vorsatz
Für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ist die Sache hingegen klar: Sie legt den Angeklagten zur Last, dass sie es mit Vorsatz auf Gefälligkeiten abgesehen hatten, beziehungsweise darauf, sich beeinflussen zu lassen.
„Kann man sich selbst anfüttern von der einen zur anderen Funktion“, will Natters Anwalt Wolfgang Blum wissen. Rüdisser sei schließlich nicht nur Landesstatthalter gewesen, sondern auch stellvertretender Obmann des Wirtschaftsbundes. Er habe lediglich eine bereits bestehende Tradition seines Vorgängers Manfred Rein fortgeführt: „Das entscheidende Argument ist die fehlende Beeinflussung“, betont Bertram Grass, Anwalt des einstigen Statthalters. Rüdisser habe sich zwar einen Vorteil genommen, diesen aber nicht gefordert. Schon gar nicht sei er dadurch beeinflusst worden.

Vereinszugehörigkeit kein Argument
Diese Argumentation lässt Richter Theo Rümmele nicht gelten. Jegliche Zugehörigkeit zu Vereinen könnte dann dazu führen, dass man sich bezahlen lassen darf. Nach der Befragung der Angeklagten und zwei der acht geladenen Zeugen hat Rümmele entschieden. Rüdisser wird zu einer Strafe von 13.750 Euro unbedingt verurteilt, bedingt kommen noch einmal genauso viel dazu. Die weiteren Strafen: 5000 Euro für Walter Natter (plus 5000 Euro bedingt), 7500 Euro für Hans Peter Metzler (plus 7500 bedingt) und 6750 Euro für Jürgen Kessler (plus 6750 bedingt). Der Wirtschaftsbund als Organisation wird außerdem zu einer Verbandsstrafe verdonnert, die bei bedingten 4500 Euro liegt. Die Verteidigung aller schuldig Gesprochenen geht in Berufung. Aufgrund der Weisungskette wird sich die Staatsanwaltschaft in spätestens drei Tagen über die weitere Vorgehensweise entscheiden.
Wortkarge Angeklagte
Die Angeklagten geben sich über die gesamte Verhandlung wortkarg. Nur Karlheinz Rüdisser steht sowohl Richter als auch Staatsanwälten ausführlich Rede und Antwort. Er habe mit den Feiern seinen Mitarbeitern Wertschätzung entgegenbringen wollen. Ein weiterer Punkt sei die Netzwerkpflege gewesen. „Neben der Mitgestaltung der Politik, ist die Beratung in den Einzelinteressen der Mitglieder wesentlicher Bestandteil der Aufgaben des Wirtschaftsbundes. Hier hängt es stark davon ab, wie qualitativ das Netzwerk ist.“ An den Weihnachtsfeiern nahmen vor allem führende Mitarbeiter der Landesverwaltung und ausgelagerten Gesellschaften teil, ebenso vier Personen des Wirtschaftsbundes selbst. Dass der Wirtschaftsbund bezahlt hat, kommentiert Rüdisser so: „Ich sehe da niemals eine Anstiftung zur Untreue.“

Argumentation: Legaler Einfluss
Dass der Wirtschaftsbund Einfluss genommen hat, bestreitet der Anwalt des einstigen Landesstatthalters aber nicht. Dies liege allerdings in der Natur der Sache, sei Rüdisser doch auch stellvertretender Obmann gewesen: „Der Wirtschaftsbund musste natürlich die Interessen des Wirtschaftsbunds vertreten, und natürlich wurde er (Anmerkung: Karlheinz Rüdisser) diesbezüglich zumindest stillschweigend durch konkrete Anweisungen beeinflusst – dass er deren politischen Ziele wahrnimmt, nicht dass er plötzlich Ziele des Marxismus oder Kommunismus in der Landesregierung vertritt“, spitzt es Anwalt Bertram Grass zu. Die ganze Anklage wirke gekünstelt und konstruiert.
Argumentation Klimapflege
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Wirtschaftsbund unterdessen Klimapflege vor. Das heißt, es seien keine Vorteile auf ein konkretes Amtsgeschäft erkennbar, sondern man leiste Vorteile mit dem Ziel den Amtsträger in Zukunft für sich gewogen zu stimmen. Das weist Rüdisser in seinem Abschlussstatement vehement zurück: „Ich war fast 30 Jahre in der Spitzenpolitik tätig, davon acht Jahre als Landesstatthalter. In all diesen Jahren habe ich mit Akribie darauf geachtet, dass ich nicht einmal in die Nähe davon komme, dass ich in meiner Funktion einen Vorteil annehme.“ Rüdisser nennt mehrere Beispiele, die bis in seine Pension hineinreichen. Er habe zahlreiche Geschenke und Einladungen abgelehnt.

Der Richter glaubt Rüdisser: „Ich gehe nicht davon aus, dass Sie die Absicht hatten, sich beeinflussen zu lassen, oder zu beeinflussen“, wendet er sich an alle Angeklagten. Untreue erkenne er keine, allerdings sehe er den Strafbestand der Vorteilsnahme bzw. -zuwendung gegeben. „Ich glaube nicht, dass die Herren was falsch gemacht haben in ihrem Job“, führt Rümmele weiter aus. Direkt an Rüdisser gewendet, sagt er: „Mir wäre nie etwas aufgefallen, dass Sie eine Tätigkeit gemacht haben, die nicht gerechtfertigt war.“ Darum gehe es aber nicht. Durch die Bezahlung von Weihnachtsessen für Rüdisser und seine Mitarbeitenden sei ein Abhängigkeitsverhältnis geschaffen worden, deshalb sei der Straftatbestand erfüllt.
Die Strafhöhe ergebe sich daraus, dass alle unbescholten waren, unterschiedliche lange involviert gewesen sind und verschiedene Einkommensverhältnisse bestehen. Höchststrafe wären bis zu drei Jahre Haft gewesen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.