14 Prozent der jungen Erwachsenen kennen den Holocaust nicht – Generation Vergessen?

18.03.2025 • 11:40 Uhr
Verena Konrad
Verena Konrad ist Kunst- und Architekturhistorikerin und leitet das vai Vorarlberger Architektur Institut. Darko Todorovic

VN-Kommentatorin Verena Konrad über eine beunruhigende Studie zur Geschichtsvergessenheit und die Bedeutung von Bildungsarbeit – gerade in Zeiten erstarkenden Rechtspopulismus.

Die Jewish Claims Conference veröffentlichte kürzlich eine Studie, nach der 14% der jungen Erwachsenen in Österreich noch nie von Holocaust und Shoah gehört haben. Bereits 2021 kam die Studie „Generation Vergessen?“ zu einem ähnlichen Ergebnis. Nur etwa ein Fünftel der AHS-Schüler und 13% der BHS-Schüler konnten Begriffe wie Antisemitismus, Holocaust und Rechtsextremismus mit eigenen Worten beschreiben.

Ich vermute, dass es bei den Erwachsenen nicht viel besser aussieht. Nun wird eine Ausstellung, wie sie jetzt im Foyer des vorarlberg museums zu sehen ist (kostenlos), nicht alles ändern können, aber sie ist wichtig, und es braucht, diese Zahlen belegen es, viel, viel mehr Bildungsarbeit zu diesem Thema. Nicht nur in Schulen, nicht nur in Museen. Es geht nicht nur um historisches Faktenwissen, sondern auch um die Reflexion der eigenen politischen Haltung. Der österreichische Neurologe, Psychiater und KZ-Überlebende Viktor Frankl hat die grundlegende Frage dazu formuliert: „Welcher Mensch will ich einmal gewesen sein?“


Die kleine Ausstellung ist auch deshalb so wichtig, weil sie genau zum richtigen Zeitpunkt kommt. In einer Zeit, in der der Rechtspopulismus wieder auf dem Vormarsch ist. In der Propaganda wieder selbstverständlich wird. In „Wir waren begeistert! Warum?“ sind Fotos von Werner Schlegel zu sehen. Er hatte keinen Auftrag, sondern hat diese Fotos für sich gemacht, so wie wir heute auch wichtige Ereignisse fotografieren und damit festhalten wollen. 4000 dieser Fotos befinden sich in der Fotosammlung der Vorarlberger Landesbibliothek und bilden den Grundstock der Präsentation. Auf den Bildern zu sehen sind Massen. Bei Aufmärschen, Parteiveranstaltungen und Auftritten. Die Inszenierungen leben von der bereitwilligen Teilnahme der Bevölkerung und der sichtbaren Begeisterung der Menschen. Woher kommt diese Sehnsucht, Teil einer Masse zu sein?


Der Schriftsteller Elias Canetti beschreibt sie als Versuch der Menschen, durch das Zurücklassen ihrer Individualität miteinander verbunden zu sein. Die Masse schützt den Einzelnen vor seiner Unzulänglichkeit. Sie wirkt durch eine Kraft, die man als Einzelner nie haben könnte, auch nicht als Führerfigur, denn auch diese lebt mit der Masse und nur durch sie. Wer heute große Parteiveranstaltungen besucht, weiß, dass diese Inszenierungen ungebrochen wirken. Dazu muss man nicht in Richtung von Diktaturen schauen. Es reicht ein Blick in unser nächstes Umfeld, in die Bierzelte bei Aschermittwochsreden oder auf die populistischen Inszenierungen von Sebastian Kurz im Wahlkampf 2019. Ich habe für mich gelernt: Vor der Masse muss man sich hüten. Sie bringt nichts Gutes. Ihr gegenüber steht die Öffentlichkeit, die den Einzelnen nicht negieren und sich nicht erst primitiv zusammenrotten muss, um zu existieren.