Sturm im Wasserglas

Tom Corradini mit der schönsten “One-Man-Show“ im Theater Kosmos.
Bregenz Das Monodramen immer eine große Herausforderung sowohl für den Schauspieler als auch das Publikum bedeuten, zeigte erneut Tom Corradinis „Gran Consiglio / Mussolini“, in dem er eineinhalb Stunden lang den „Duce/Mussolini“ verkörpert.
Wir schreiben den 24. Juni 1943 und der große Faschistische Rat tagt, um über die Absetzung Mussolinis zu entscheiden. Wie wir wissen wird Mussolini an diesem Tag abgesetzt und kann mit Hilfe von Hitlerdeutschland die Republik von Salò gründen, ein faschistischer Marionettenstaat in Norditalien, dessen Staatsgebiet sich auf die Gebiete der deutschen Besatzungsmacht beschränkte. Benito Mussolini ist in seinem Arbeitszimmer im Palazzo Venezia in Rom eingeschlossen und räsoniert über seine glanzvolle Karriere, seine Begegnungen mit den Mächtigen seiner Zeit allen voran Adolf Hitler, Neville Chamberlain, Winston Churchill (Briefwechsel) und Stalin; seine Kriegszüge nach Abessinien, Griechenland und Frankreich, die alle kläglich scheiterten, über seine Mutter Rosa und seine Ehefrau Rachele Guidi sowie Margherita Sarfatti, eine äußerst interessante Frau aus wohlhabendem jüdischen Hause, der Mussolini den Titel „Il Duce“ verdankt. Mussolinis Promiskuität ist legendär und kommt ebenfalls zur Sprache. „Es gibt nur zwei Dinge, die mein Leben glücklich gemacht haben, die Musik und noch etwas anderes“, tönt Mussolini, und zieht einen weißen Büstenhalter aus seiner Hosentasche hervor, um sich damit den Schweiß von der Stirn abzuwischen. Das ist plump und unbeholfen, auch angesichts der Tatsache, dass Mussolini vorsichtig geschätzt 400 verschiedene Sexualpartnerinnen hatte. Auch sehr simpel werden die Mechanismen von Masse und Macht in acht verschiedenen Schritten angesprochen, darunter: „Was will die Masse hören? Die Wiederholung und ein Sprecher muss den Glauben entfachen, alle wollen nur unterhalten werden.“
Oder auch der Hinweis auf Mussolinis großen Appetit auf Pasta und andere Speisen, die ihm manchmal Magengeschwüre bereiteten u. a. mit „Geschichte wurde mit dem Bauch geschrieben“, geht nicht wirklich in die Tiefe. Doch eines muss man Tom Corradini lassen. Er ist ein ausgezeichneter Performer, mit einem exzellenten Mimik- und Gestenspiel, seine Darstellung des „Duce“ ist nicht überzeichnet, sondern glaubhaft, seine Posen sind sehr gut von denen des „Duce“ kopiert und vor allem trifft er damit die heutige Zeit, wenn wir an Trump, Putin und andere mehr denken. Die Inszenierung der eigenen Person ist heute das größte politische Kapital. Corradini ist in dem Moment bravourös, wenn er das Kind Mussolini darstellt, der lieber ein Spielzeug hätte, als mit seinem Vater auf irgendwelche sozialistisch geprägten Aufmärsche mitzugehen. „Ich wollte Mussolini nicht nur als historischen Charakter zeigen, sondern als Menschen mit all seinen Schwächen, Widersprüchen und Ängsten. Das Lachen hilft uns, die Vergangenheit zu reflektieren – und die Gegenwart besser zu verstehen”. Ein vergnüglicher Abend.
Thomas Schiretz