Der Morgenstern aus dem Westen

Hinreißendes Jubiläumskonzert von Concerto Stella Matutina am Samstag in Götzis.
Götzis Kann der Morgenstern im Westen aufgehen? Ja – und das seit nunmehr zwanzig Jahren, denn solange gibt es das Vorarlberger Originalklangensemble Concerto Stella Matutina (lat. Morgenstern), benannt nach dem ehemaligen Jesuitenkolleg, in dem zur Gründungszeit des Orchesters das Landeskonservatorium untergebracht war. Die Leuchtkraft hat seitdem stetig zugenommen, und seit der Feuertaufe am vergangenen Montag im Goldenen Saal des Musikvereins in Wien mit Monteverdis Marienvesper klingt das Ensemble noch strahlender, energiegeladener und konzentrierter, als trügen die Musikerinnen und Musiker unsichtbare Kronen auf dem Kopf.
Eine Attraktion der Abo-Konzerte war schon immer die fantasievolle Programmgestaltung. Unter dem Titel „Musikalische Soirée im Michaelerhaus“ gab es diesmal Kompositionen der Wiener Klassik, deren Schöpferinnen und Schöpfer allesamt in diesem Gebäude neben der Michaelerkirche lebten oder die sich dort getroffen haben. Die Ouvertüre des ehemaligen Dachkammerbewohners Joseph Haydn zu seiner Oper „L’Isola disabitata“ (nach einem Libretto von Pietro Metastasio aus dem zweiten Stock) elektrisierte von Anfang an: Wuchtige Orchesterschläge, dann eine spannungsreich aufgebaute prachtvolle Klangrede, durchsichtig bis in feinste Details, z. B. die aparten Begleitfiguren der zweiten Geigen, trotz der pulsierenden Energie aber immer elegant.
Solist des Abends war der renommierte Organist und Cembalist Johannes Hämmerle, Gründungsmitglied des Ensembles, der seine Kolleginnen und Kollegen in den Probenpausen mit Kaffee aus seiner Kaffeemaschine versorgt und der über seine Erfahrungen mit der exzellenten Orgel der Michaelerkirche erzählte, auf der er als Student regelmäßig spielte. In einem heiteren Satz aus dem C-Dur-Orgelkonzert von Antonio Salieri konnte er seine Fingerfertigkeit beweisen, das Stück kommt aber über Gefälligkeit kaum hinaus. Mehr Charakter zeigte die Ouvertüre zu „Carlo il Calvo“ von Nicola Porpora, die mit ihren festlichen spätbarocken Bläserklängen anfangs etwas an Händel erinnerte. Die Entdeckung des Abends war Marianna Martines, hochbegabte, auch von Maria Theresia geschätzte Pianistin, Sängerin und Komponistin. Ihr Cembalokonzert in G-Dur ist ein Meisterwerk, dicht und filigran komponiert, mit einem lebhaften ersten Satz mit agilem Laufwerk für das Cembalo und punktgenau hin getupften Einwürfen des Hornes. Das Adagio verzauberte mit sordinierter Sologeige, samtigen Hörnern und Triolenketten im Cembalo, im Finale schüttelte Hämmerle den virtuosen Solopart quasi mühelos aus dem Ärmel. Hinreißend das Orchester, das farbig und im perfekten Dialog mit dem Solisten ein raffiniertes Rokoko-Klanggemälde im Stil von Watteau erstehen ließ.
Die zweite Komponistin des Abends war die blinde Pianistin Maria Theresia von Paradis, deren schwungvolle Ouvertüre zu „Der Schulkandidat“ in rasantem Tempo über die Bühne fegte. In Mozarts Jugendsymphonie in D-Dur, KV 133, kamen die Qualitäten des Orchesters noch einmal voll zur Geltung. Ein besonderes Lob verdienen die Pauke (Stefan Greussing), die schon den ganzen Abend durch energetische Impulse und differenzierte Gestaltung aufhorchen ließ und die wunderschön geblasene Flöte (Angelika Gallez) im zweiten Satz. Das begeisterte Publikum erklatschte sich einen Sinfoniesatz von Martines als Zugabe und hofft auf viele Jahre weiterer Konzerterlebnisse mit dieser fantastischen Truppe.
Ulrike Längle