Das Jüngste Gericht

Uwe Jäntsch präsentiert in der Johanniterkirche in Feldkirch sein monumentales Werk.
Feldkirch Acht mal acht Meter, viele Kubikmeter Fichtenholz, dreieinhalb Wochen malen vor Ort, mindestens vierzehn Stunden täglich bei Temperaturen um die Null Grad, der Innenraum der Kirche klamm und feucht, ein dauerndes Auf- und Absteigen auf dem Gerüst, dazu eine Unmenge von Acrylfarben. Ein Unterfangen dieser Dimension benötigt nicht nur eine besondere Motivation und ein Durchhaltevermögen des Künstlers, in diesem Fall das von Uwe Jäntsch, sondern auch Akteure, die alle am selben Strang ziehen, darunter Costanza Lanza di Scalea, die Lebensgefährtin des Künstlers, Kulturserviceleiterin und Ideengeberin Judith Reichart, Kurator in der Johanniterkirche Arno Egger und der Mastermind der überdimensionalen Holzkonstruktion Thomas Rösler. Reichart gab mit ihrem theoretischen Unterbau den Anstoß: „Das Jüngste Gericht, da ist die gesamte Menschheitsgeschichte versammelt, alles, was wir sind, was wir tun, von wo wir kommen, wohin wir gehen. Es ist das größte Werk, das man als Künstler vollenden kann.“ Vorbild für Jäntsch war das „Jüngste Gericht“ von Michelangelo, das dieser von 1536 bis 1541 al fresco (malen auf nassem Putz) auf die Westwand der Sixtinischen Kapelle gemalt hat. Auch Jäntschs Werk steht im Westen im Eingangsbereich der Kirche in Opposition zum Hauptaltar und auch er malte auf noch feuchten Untergrund, da erst vor Kurzem geschlägertes Holz.
Der Aufbau von Jäntsch „Jüngstem Gericht“ lässt an eine mittelalterliche Biblia pauperum denken, eine Armenbibel, die das Verstehen und die Vermittlung der Kerngeschichte erleichtern. Sein Werk gliedert sich grob gesagt in vier Abschnitte, dem untersten Teil in Schwarzgrau gehalten, bevölkert von maskenhaften Männerporträts (die Unterwelt/die Hölle?), darüber ein Streifen in einem rostroten Farbton mit schemenhaft gemalten Rosen, Fabrikgebäude mit ihren rauchenden Schloten, und schließlich der obere Abschnitt in Gletschergraublau, maskenhafte Frauenportraits, getragen von Wolkenformationen und den ringsum bekannten Bergen wie Säntis, Altmann, Hoher Kasten und die Drei Schwestern sowie den mit Flügeln versehenen Ungeborenen. Ganz oben ein Kreissegment in blaugrauem Ton gehalten die Moral mit Waage multiplem Fingerzeig (wie Strahlen einer Gloriole) und einem Gesicht. Durchbrochen werden die einzelnen Segmente nur vom flammenden Herz Jesu aus dem ein Kreuz emporwächst und darüber „der schönste Kreisverkehr, den ich je gemalt habe“, so Jäntsch. Auf diesem Kreisverkehr fährt ein überdimensioniertes Auto, darin eingeschrieben ein Pool, eine Villa/die Villa Müller in Feldkirch und ein Baum. „The american dream“, oder unser regionales, allseits bekanntes „Schaffa, schaffa, Hüsle baua“. Bei der Wahl der Motive ließ sich Jäntsch von der Umgebung anregen: „Ich male, was ich sehe, wenn ich mit dem Zug durch das Rheintal fahre, um hierherzukommen.”
Von der Farbgebung her orientierte sich Jäntsch am Bestand der Johanniterkirche, so z. B. am graublauen Himmel des Deckengemäldes, oder am ockergrünen Rundbogenfries der Kanzel.
Schon jetzt reiht sich Jäntsch‘s „Jüngstes Gericht“ nahtlos nicht nur durch seine Dimensionen in die Reihe von außergewöhnlichen Vorarlberger Kunstwerken ein, denn es hat das Potenzial, herkömmliche Denkmuster zu sprengen.
Uwe Jäntsch
Das Jüngste Gericht in der Johanniterkirche in Feldkirch
www.johanniterkirche.at
- März bis 14. Juni 2025
Di-Fr: 10 bis 18 Uhr
Sa: 10-16 Uhr