Dem Untergang geweiht

Martin Mühlbacher war für Ärzte ohne Grenzen auf Kiribati im Einsatz, einer vom Klimawandel besonders betroffenen Region.
Hörbranz Das Foto spricht für sich. Es zeigt Martin Mühlbacher (29) vor einer Tafel, die den höchsten Punkt von Tarawa, der Hauptinsel von Kiribati anzeigt. Er liegt schmale drei Meter über dem Meeresspiegel. Auf den anderen, insgesamt 33 Atollen, sieht es nicht besser aus. Dieser Umstand macht die mitten im Pazifischen Ozean gelegene Inselansammlung sehr anfällig für die Auswirkungen des Klimawandels. Das salzhaltige Meerwasser steigt aufgrund der Erwärmung so stark an, dass es immer wieder das Grundwasser auf der Insel flutet und dadurch enorme Gesundheitsprobleme verursacht. Zudem ist Abaiang, eine sogenannte äußere Insel, schon teilweise unbewohnbar geworden, weil die Flut alles überschwemmt. „Die Gezeiten können da massiv sein“, berichtet Mühlbacher. Der Hörbranzer war sechs Monate für Ärzte ohne Grenzen auf Kiribati. Er spricht von einer Herausfordernd, gleichzeitig aber auch von einer lässigen Erfahrung: „Ich konnte einiges an Eindrücken und Erfahrungen für mich mitnehmen.“ Nach viel Fisch, Brotfrucht und Kokosnüssen hatte der Logistiker in der Heimat jedoch erst einmal Lust auf Käsefondue.

Die Chance genutzt
Martin Mühlbacher ist Ingenieur für Elektrotechnik und hat einen Master in Anlagensicherheit und Katastrophenmanagement. Nach dem Studium ergab sich für ihn die Chance, bei Ärzte ohne Grenzen mitzuarbeiten. Er packte sie beim Schopf und sagte zu, als das Angebot kam, nach Kiribati zu gehen, wo er nach einem 30-Stunden-Flug landete. Informationen über die Region holte er sich vorher im Netz. Was Mühlbacher da zu sehen bekam, waren Bilder, die von einem Urlaubsparadies erzählten: tiefblaues Meer, Sandstrände, Palmen und herrliche Sonnenuntergänge. Die Idylle ist jedoch dem Untergang geweiht. Nach Berechnungen der Weltbank könnte der Inselstaat schon 2050 größtenteils nicht mehr bewohnbar und 2070 endgültig von der Landkarte verschwunden sein. Immer mehr Land wird buchstäblich ins Wasser gezogen, Mangrovenwälder helfen nur bedingt.
Versalztes Grundwasser
Die rund 132.000 Bewohner leiden heute schon. Infektions- und Durchfallerkrankungen sowie Mangelernährung nehmen zu, weil das Grundwasser versalzt und damit nicht mehr für den Gemüseanbau taugt. Ausbleibender Regen zwingt die Menschen, auf verschmutztes und brackiges Wasser in offenen Brunnen zuzugreifen. Auch Ratten, freilaufende Hunde und viel Müll belasten den Alltag. Kiribati hat laut Auskunft von Ärzte ohne Grenzen eine der höchsten Sterblichkeitsraten bei Kindern unter fünf Jahren weltweit. Hier setzt die Arbeit der Hilfsorganisation an. Ihre Mitarbeitenden bieten in Krankenhäusern und Entbindungsstationen Betreuung für Mütter und Neugeborene an. Dazu zählt unter anderem die Diagnose und Behandlung von Diabetes bei Schwangeren sowie die Verbesserung der Versorgung von Babys.

Ein großes Problem ist auch der Bluthochdruck als Folge des versalzten Trinkwassers. Aktuell läuft ein Pilotprojekt zur Implementierung von Testmöglichkeiten. „Ziel des Gesundheitsministeriums wäre es, solche Testungen auf allen Inseln einzuführen“, erklärt Martin Mühlbacher. Er war in einem internationalen Team für das Funktionieren der Infrastruktur zuständig. „Wir sorgten dafür, dass die Ärzte an ihren Einsatzort kommen und alles hatten, was sie benötigten“, skizziert er den Aufgabenbereich als ein breites und spannendes Spektrum. Kulinarisch gab es hingegen nicht viel zu holen: „Fisch, Brotfrucht, zwei, drei Inselfrüchte und Kokosnüsse.“ Alles andere muss umständlich importiert werden. Das machte auch die Beschaffung von Medikamenten zu einer Herausforderung.

Nur eine Gabel auf der Insel
Die Lebensbedingungen beschreibt Martin Mühlbacher als einfach: „Die Leute schlafen in Holzhütten, gegessen wird mit den Händen oder mit Stäbchen, Ausländer erhalten Löffel oder Stäbchen.“ Als der Vorarlberger einmal um eine Gabel bat, weil es Fisch gab, wurde ihm beschieden, dass die einzige Gabel leider nicht auffindbar sei. „Es ging dann auch mit dem Löffel“, erzählt Martin schmunzelnd. Den Einsatz behält er in guter Erinnerung. Selbst mit dem sogenannten Inselfieber, das die Abgeschiedenheit und Isolation der Region bei manchen auslöst, kam er zurecht. Inzwischen hat sich der Hörbranzer auch wieder an das „verregnete Vorarlberg“ gewöhnt. Martin Mühlbacher möchte, wenn möglich, weitere Einsätze für Ärzte ohne Grenzen absolvieren und dorthin gehen, „wo man mich brauchen kann“.


