Bregenz hui – Innsbruck pfui

22.04.2025 • 13:41 Uhr
Bregenz hui - Innsbruck pfui
HERBERT PFARRHOFERVN-Kommentator und Kunst- und Kulturexperte Gerald Matt.

VN-Kommentar von Gerald Matt: Kunstöde Innsbruck oder Bregenz ist weit


Neulich habe ich wieder einmal Innsbruck besucht, die Stadt, in der ich einen Teil meiner Studien absolvierte. Der Anlass war die Bitte meines langjährigen Freundes, des großartigen Photographen Paul Albert Leitner, eine Ausstellung von ihm und dem ebenso herausragenden Maler Michael Ziegler zum Thema Stillleben in der Galerie Rhomberg zu eröffnen. Mit dem Titel “still alive” befreien sie das Stillleben aus seiner Melancholie, aus dem Memento mori und machen aus ihm eine Hommage an das Überleben, ja das Leben. So lebhaft und anregend die Gespräche der Vernissage mit Gästen und Künstlerinnen auch war, so schwer war es ein Restaurant, das nach 9 Uhr noch warmes Essen serviert, zu finden. Ebenso leblos präsentierte sich die Innsbrucker Kunstwelt.
Mit Wehmut musste ich zurückdenken an jene glorreichen Zeiten als Ursula Krinzinger noch mit Galerie und Kunstverein Maßstäbe setzte, Peter Weiermeier mit seiner „allerheiligenpresse“ und dem „Forum für aktuelle Kunst“ künstlerische Feuerwerke zündete, Johann Nicolussi im Kellertheater mit Stücken wie Dario Fos non si paga anarchische Windstöße in Innsbrucks Kulturleben blies und der Kunsthistoriker Gert Amann das Ferdinandeum als ernstzunehmendes Kunstmuseum bespielte.


Heute sind es Galeristen wie Thoman Widauer, Kugler und Rhomberg, die die Fahne der Kunst noch hochhalten, auch wenn Maximilian Thoman die Hauptaktivitaktivitäten der Galerie nach Wien verlagert hat.
Es ist die Kunstwelt, die die Folgen jahrelanger kulturpolitischer Ignoranz und Fehlleistungen zu tragen hat. Das jahrelang angekündigte Museum Moderner Kunst blieb nicht mehr als ein Lippenbekenntnis. Stattdessen feiert man den Bergisel, feiert man den längst ranzigen Hofer-Mythos, dessen reaktionärer Kampf gegen die französisch-bayrische Aufklärung und “weibliche Unsittlichkeit” immer noch gerne unter den Heldentisch gekehrt wird. Der Rundgemäldebau am Bergisel ist ein sündteurer kulturpolitischer Rohrkrepierer, dessen mangelnde Resonanz auch durch das busweise Herankarren von Schulklassen nicht kaschiert werden kann. In die triste Diagnose passt jedwedes Fehlen eines Nach-Nutzungskonzeptes für die ehemalige denkmalgeschützte Rundgemälderotunde am Inn.


Noch schlimmer steht es um das Mutterhaus Ferdinandeum, das den Umbau der völlig verkorksten Innenarchitektur gleich für einen unbefristeten Winterschlaf zu nutzen scheint, um seine Bedeutungslosigkeit durch völlige Schließung zu unterstreichen. Während andere engagierte Museen durch Anmietung von Räumlichkeiten durch große relevante Ausstellungen Marke und Besucher pflegen, konzentrieren sich die Mitarbeiter wohl unter dem Vorwand einer intensivierten wissenschaftlichen Arbeit auf aufwendige Intrigen. Fähige Hauskuratoren wie Florian Waldvogel werden mit Projekten im Kunstraum Innsbruck abgespeist, um den es seit dem Abgang des quirligen Stefan Bidner still geworden ist. Der kleinmütige Versuch des Ferdinandeums diesen zeitweise zu bespielen, stellt nun zurecht dessen Subventionierung durch den Bund in Frage.
Mit Ausstellungen, die mit politischer Korrektheit und Kunst im Dienste der guten Sache, einschläfernde Langeweile verströmen, hat die Taxis-Galerie sich aus der Kunst Öffentlichkeit längst verabschiedet. Wer als Besucher in den Räumen der Galerie Stille und Einsamkeit sucht, ist dort gut aufgehoben. So öde Innsbruck, so vital zeigen sich Vorarlbergs Städte Bregenz und Dornbirn mit Ihren Institutionen vom Kunstraum Dornbirn über das Kunsthaus Bregenz bis hin zum Flatzmuseum. Hilfe kommt aus Bregenz, doch Bregenz ist weit, schreib Kafka an Milena. Jedenfalls zu weit für die Tiroler Misere.