Walter Fink

Kommentar

Walter Fink

Kommentar: Der Zeit ziemlich voraus

02.05.2025 • 13:00 Uhr

Am Mittwoch hatte das Vorarlberger Landestheater seine Pressekonferenz zur Vorstellung des kommenden Spielplans. Dabei gab es von Intendantin Stephanie Gräve auch einen Blick zurück, nicht zuletzt einen Hinweis auf das erfolgreichste Stück des Theaters, Felix Mitterers „Au seinem Leben“. In dieser Aufführung über das Leben von Franz Michael Felder spielten auch Mitglieder des Theatervereins Bizau wesentliche Rollen, Gräve meinte, dass es sicher nicht die letzte Zusammenarbeit zwischen dem Profi- und dem Laientheater gewesen sei. Wenige Tage vorher, am vergangenen Sonntag, war die Intendantin des Landestheaters auch bei der Premiere des Bizauer Theaters und war voll des Lobes über die Uraufführung, die sich ebenfalle einem besonderen Thema des Bregenzerwaldes, den Barockbaumeistern, widmete. Man kann sich der Aussage von Gräve nur anschließen: Es war außergewöhnlich, was die Bizauer wieder auf die Beine gestellt hatten.

Der Bogen wurde diesmal weiter gefasst, das Barockbaumeistermuseum Au und das Museum Bezau, die sich ausschließlich oder teilweise den Barockbaumeistern widmen, wurden als Partner gewonnen. Der Autor des Stücks „Fründlar“, Josef Anton Meusburger, und Regisseur Stefan Pohl hatten also bei ihren Recherchen kompetente Ansprechpartnerinnen in den Museen. So kam ein Stück auf die Bühne, das zwar nicht auf historischen Begebenheiten beruht, das aber ein zentrales Thema der Zeit anspricht. 1657 wurde die Auer Zunft, die Kaderschmiede der Bregenzerwälder Baukünstler, von Michael Beer gegründet. In eineinhalb Jahrhunderten schufen die Baumeister mit ihren Stuckateuren, Maurern, Zimmerern und vielen anderen Handwerkern hunderte vor allem sakrale Gebäude, Kirchen und Klöster, ebenso auch profane Bauten. Von März bis Oktober zogen sie mit ihren Helfern nach Süddeutschland, in die Schweiz, ins Elsaß und hinterließen in den Dörfern eine fast männerlose Gesellschaft. Die Frauen mussten alles richten. Aber eines durften sie nicht: An den Bauwerken mitarbeiten.

Das ist das spannende Thema, das in Bizau aufgegriffen wird. Eine junge Frau, die alle Fähigkeiten – Zeichnen, Entwerfen, räumliche Vorstellung und noch viel mehr – mitbringt, um selbst zu planen, die das aber nicht darf. Auch nicht, wenn ihr Vater ein bekannter Baumeister ist, dessen Sohn nicht in diese Arbeit eintreten will, er also niemanden hat, der die Arbeit übernehmen kann. Außer eben der Tochter. Es geht also, einfach gesagt, um Emanzipation in einer Zeit, die das Wort noch nicht kannte. Und die 15 Schauspielerinnen und Schauspieler bringen das wunderbar auf die mit Versatzstücken des Landestheaters ausgestattete Bühne. Die Intendantin des Landestheaters war nicht die einzige, die Lob für die Aufführung fand, die Spieler und alle Akteure konnten  sich berechtigt über viel Beifall freuen. Und so ist es nur folgerichtig, dass zu den vorgesehenen Spieltagen noch weitere hinzugefügt wurden.

Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.